Der „Badener des Jahres 1994“, nämlich Harald Hurst, ist am 20. Juni 2024 im Alter von 79 Jahren in Ettlingen verstorben.
Harald Hurst hat sein letztes Gläschen Rotwein getrunken, ist nun bei seinem Schöpfer im Himmel. Als Malsch noch eine Kleinstkunstbühne hatte, durfte der „Badener des Jahres 1994“ in der Malscher Zehntscheuer gleich zwei Auftritte absolvieren. Und zweimal war die Zehntscheuer restlos ausverkauft! Ich selbst durfte diesen klugen und sympathischen Mundartdichter als RNZ-Mitarbeiter gleich mehrfach erleben. Und zwar in Dielheim, Wiesloch, Mühlhausen und Rauenberg. Jedes Mal schickte ich ihm meine Artikel nach Ettlingen, wo Harald Hurst seine letzten Jahre erleben durfte. Schon nach seinem ersten Auftritt im Jahre 1996 auf der Malscher Kleinkunstbühne hatte Harald Hurst die Herzen der vielen Besucher aus Malsch, Malschenberg, Mühlhausen und Rettigheim im Nu gewonnen. Zu seinen Fans der ersten Stunde zählten nicht nur ich, sondern auch Bürgermeister Werner Knopf und ganz besonders auch Walter Kenz. Damals bereitete die Malscher Kolpingsfamilie den Malscher Senioren und Seniorinnen immer am Dreikönigstag einen „Bunten Nachmittag“ im Pfarrheim. Und jedes Mal ließ Walter Kenz sein Publikum an Harald Hursts Geschichten und Erzählungen teilhaben.
Längst war Harald Hurst ein landesweit bekannter Mundartdichter, als es dem damaligen Bürgermeister Werner Knopf gelang, Harald Hurst nochmals auf die Malscher Kleinkunstbühne zu holen. Das war am 18. Oktober 2001, als die Malscher Zehntscheuer wiederum komplett ausverkauft gewesen ist. Wer war dieser Mann, der seine Mitmenschen mit seinem Charme und seiner Klugheit massenweise anzog?
Gerade deshalb, weil mich mit Harald Hurst eine jahrzehntelange Freundschaft verband, will ich meinen treuen Leserinnen und Lesern aus seinem aufregenden Leben erzählen. Geboren wurde Harald Hurst am 29. Januar 1945 in Buchen im badischen Odenwald, weil seine hochschwangere Mutter wegen der Bombenangriffe auf Karlsruhe evakuiert worden war. Haralds Vater fiel im Zweiten Weltkrieg. Nach Kriegsende kehrte Harald mit seiner Mutter nach Karlsruhe zurück. Seine Heimat war das „Dörfle“. In diesem einst berühmt-berüchtigten Stadtviertel wuchs der kleine Harald auf. Dabei lebte er in Tuchfühlung mit dem „ältesten Gewerbe der Welt“, aber auch mit Handwerkern, Marktfrauen und Kneipiers wie seinem Großvater. In den 1970er Jahren wurde dieses Stadtviertel plattgemacht und durch Neubauten ersetzt. Von dem ehemaligen „Dörfle“ ist heute nichts mehr zu erkennen. Ich habe es noch erleben dürfen, weil ich damals bei der Bereitschaftspolizei in Karlsruhe-Durlach stationiert gewesen bin. Was Harald Hurst im „Dörfle“ gesehen und gehört hat, konnte er auf dem Gymnasium allerdings nicht anwenden. Er rasselte zweimal durch die Sexta und schmiss mit 15 Jahren die Schule. Und weil er von der Seemannsromantik à la Freddy Quinn inspiriert war, heuerte er als Leichtmatrose bei der Handelsmarine an. Auf hoher See fing er an, Tagebuch zu schreiben. Dieses flog ebenso über Bord, wie seine Illusionen über die christliche Seefahrt. Um einige Erfahrungen reicher – viel erlebt und wenig gesehen – versucht der junge Hurst auf festem Boden Land zu gewinnen. Schließlich gelang ihm im zweiten Anlauf das sogenannte Schulfremdenabitur. In den bewegten 1968er Jahren studierte er in Mannheim und Heidelberg Anglistik und Romanistik, hauste in einer Männer-WG und huldigte anarchistischen Weltbildern. Doch nach Studienabschluss und Referendariat bleibt er beim Beschreiten der Lehrerlaufbahn in den Startlöchern hängen. Es folgt eine Phase der Orientierungs- und Wohnungslosigkeit. Ende der 1970er Jahre rappelte er sich auf und fängt ernsthaft an zu schreiben. Gleich sein erstes Buch „Lottokönig Paul“ ließ in der Szene aufhorchen: „I hab der jo gsagt, dass i ohne dich net lebe kann – aber du waisch jo immer alles besser ...“.
Harald Hurst wurde Teil einer sich neu konstituierenden Karlsruher Literaturszene, die als lose Vereinigung Lesungen organisierte. Schon nach wenigen Jahren entwickelte sich Hurst zu einem regelrechten Kultautor. Seine Bücher – ich habe sie alle – hatten stets hohe Auflagen und seine Lesungen im badischen Raum waren durch die Bank weg ausgebucht! Preise und Auszeichnungen bestimmten fortan sein Schriftstellerleben. Erinnert sei in diesem Zusammenhang „Das Zwiebelherz 1988“, „De Polizeikaschte 1990“ usw. usw.
1993 bekam Harald Hurst den Thaddäus-Troll-Preis des Förderkreises deutscher Schriftsteller/-innen und ein Jahr später wurde ihm vom Bund „Freiheit statt Baden-Württemberg“ der Titel „Badener des Jahres 1994“ verliehen. Zuletzt hat er 2021 den Geschichten- und Gedichtband „D'accord mit de Welt“ veröffentlicht. Harald Hurst war für seine Fans nicht nur ein künstlerisches Ausnahmetalent, sondern auch ein inspirierender Weggefährte, dessen Herz bis zu seinem Tod am 20. Juni 2024 einzig und allein für seine Heimat Baden schlug.
„Ruhe in Frieden, lieber Harald Hurst. Dein Vermächtnis und dein Engagement für Baden werden für immer in unseren Herzen und Gedanken weiterleben. Du hast unsere Kultur bereichert und uns gezeigt, was es bedeutet, ein stolzer Badener zu sein!“
Text und Foto: Reinhold Stegmeier