Von Wilfried Hager
Nach Rudolf Lehr und Kurt Frei dürfen wir nun der dritten, für Sandhausen bedeutenden, Persönlichkeit aus dem Jahrgang 1924 gedenken: Robert Cazalet, früherer Bürgermeister von Lège-Cap-Ferret.
Robert Cazalet wurde geboren am 19. Oktober 1924 in Begles, einer heute ca. 30.000 Einwohner zählenden Stadt in unmittelbarer Nähe zu Bordeaux liegend und etwa 60 Kilometer von Lège-Cap-Ferret entfernt.
In seiner Heimatstadt gründete er 1964 ein Tiefbauunternehmen, betrieb Kiesgruben und war nebenbei als Weinbauer tätig. Er war verheiratet mit Ginette, geborene Saint Amond. Die Eheschließung fand am 11. Oktober 1948 in Begles statt.
Das Ehepaar hatte 4 Kinder. 3 Töchter mit Namen Anne-Marie, Patricia und Florence sowie Sohn Denis.
Robert Cazalet wohnte im Stadtteil Claoey.
„Ein Kavalier der alten Schule und eine Respektsperson“ – so bezeichnet ihn die frühere Bürgermeistersekretärin Karin Kirchhoff. „Stets freundlich lächelnd“ – so steht es in einem Nachruf in der französischen Presse über ihn. Aber er war auch ein dominanter Mann, der verstand, seinen Willen durchzusetzen.
Cazalet wurde als Mann der Visionen und der Tatkraft bezeichnet. Viele Jahre übte er verschiedene politische Mandate für die Konservativen aus.
1971 wurde er zum Bürgermeister von Lège-Cap-Ferret gewählt, ein Amt, das er dann bis 1995 ausübte. Im Jahre 1995 wurde er durch den Verlust der Kommunalwahl abgelöst durch seinen bisherigen Stellvertreter Michel Sammarcelli.
Von 1986 bis 1997 war er Mitglied der französischen Nationalversammlung als Stellvertreter der Gironde. Dieses Mandat verlor er 1997 bei der vorzeitigen Auflösung der Nationalversammlung durch Staatspräsident Jacques Chirac. Bedingt durch das Mehrheitswahlsystem erhielten die Konservativen einen erheblichen Verlust an Mandaten, was auch Robert Cazalet das Ausscheiden aus der Nationalversammlung bedeutete.
Im Jahre 2003 wurde er durch den damaligen französischen Innenminister mit dem Orden der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung wurden seine Verdienste, die er sich um den Staat Frankreich erworben hatte, gewürdigt.
Man nannte ihn den „Kaiser des (Arcachon)Beckens“, was durch sein großes Engagement in der Region und durch seinen erheblichen Einfluss begründet war. Cazalets städtebauliche Visionen und Taten prägten die Halbinsel nachhaltig.
Sein großes Werk war die Sanierung des Arcachon-Beckens dank der Arbeit des Gemeindeverbandes „Syndicat intercommunal du bassin d'Arcachon“ -SIBA - das er mit gegründet hatte und dessen Präsident er auch mehrere Jahre war. Eine Institution, bestehend aus 12 Gemeinden, zuständig unter anderem für die Abwasserentsorgung, die Regenwasserbewirtschaftung, den Hochwasserschutz und die Überwachung der Wasserqualität in seinem gesamten Gebiet, was er erfolgreich bewerkstelligen konnte. Er gab stets sein Bestes für das Becken. „Ich bin vom Becken adoptiert“, sagte er.
Robert Cazalet war 1976 maßgeblich daran beteiligt, dass die Halbinsel Cap-Ferret, die zu La Teste-de-Buch gehörte, der Gemeinde Lège angegliedert wurde.
Seine Bedeutung unterstreicht auch die Tatsache, dass er mit den ganz Großen der französischen Gesellschaft und Politik Kontakt hatte.
Auch nach seinem Ausscheiden aus den politischen Ämtern interessierte er sich weiterhin für das Geschehen in seiner Gemeinde und hielt sich stets auf dem Laufenden. Mit seinem Nachfolger Sammarcelli verband ihn dann auch nach seiner Amtszeit ein freundschaftliches Verhältnis. Und er folgte stets gerne Einladungen zu Veranstaltungen und war dann immer froh, alte Bekannte zu treffen.
Sein Gesundheitszustand veranlasste ihn, auf der französischen Insel Guadeloupe einen zweiten Wohnsitz zu nehmen, wo er sich ein Haus gekauft hatte und so hielt er sich teilweise in Lege und teilweise in dem französischen Übersee-Departement Guadeloupe auf.
Warum Robert Cazalet für uns so wichtig ist: Er ist einer der beiden Väter der Partnerschaft zwischen Sandhausen und Lège-Cap-Ferret und hat damit einen wichtigen Beitrag zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich beigetragen. Zusammen mit dem Sandhäuser Bürgermeister Walter Reinhard sorgte er für die Begründung dieser nun seit über 40 Jahren bestehenden Verbindung. Von Anfang an verband die beiden Bürgermeister eine große Sympathie. Nachdem die Sandhäuser von ihrem ersten Besuch in Lège-Cap-Ferret zurückkamen, äußerte Walter Reinhard im Rathaus zum Verhältnis zwischen den beiden Gemeinden: „Es war Liebe auf den ersten Blick“. Anfang 1980 war dann eine Delegation aus Lège-Cap-Ferret zu Gast in Sandhausen. „Wir haben einen guten Eindruck von Sandhausen erhalten, vorbildliche Einrichtungen sind vorhanden“, betone Bürgermeister Cazalet in seinem Grußwort beim Empfang im Ratsaal und führte weiter aus, dass der Gedanke von Bürgermeister Reinhard, die verschiedenen Vereine und Gruppen, in erster Linie aber die Jugend, den Partnerschaftsgedanken verwirklichen solle, vom Gemeinderat von Lège-Cap-Ferret voll unterstützt wird und dass die Partnerschaft einen Beitrag im Zeichen der Freundschaft zwischen dem deutschen und dem französischen Volk leisten wird.
Wenn Robert Cazalet in Sandhausen weilte, übernachtete er übrigens im Hause der Familie von Walter Reinhard. Wie Sohn Klaus Reinhard berichtete, umarmte er bei seinem ersten Besuch in Sandhausen die anwesenden Mitglieder der Familie Reinhard und sagte „Wir wollen für immer Freunde sein“. Und, Robert Cazalet schätzte auch unsere einheimische Küche: Dampfnudel mit Kartoffelsuppe, Pfannkuchen, Spätzle, Hausmacher – all dies sagte ihm zu und er schätzte diese Speisen.
Die Partnerschaft wurde zu einem dauerhaften Erfolg. Sie ist nach wie vor frisch, und wie den Lesern bekannt, wurde im Jahre 2023 das 40-jährige Partnerschaftsjubiläum nachgefeiert, da coronabedingt in den Jahren 2020 bis 2022 diese Veranstaltung nicht möglich war. Bei dieser Veranstaltung wurde dann auch feierlich die Erinnerungstafel an die beiden Väter der Partnerschaft enthüllt. Diese steht neben der Synagoge und soll auch künftige Generationen an Robert Cazalet und Walter Reinhard erinnern.
Die Gemeinde Sandhausen hat anlässlich des 10. Jubiläums der Partnerschaft im Jahre 1990 Robert Cazalet mit der Bürgermedaille in Gold ausgezeichnet. Die Überreichung der Bürgermedaille erfolgte übrigens im Rahmen einer würdigen Feier in Lège-Cap-Ferret. Der damalige Bürgermeister Erich Bertsch unterstrich in seiner Laudatio, dass es in der Gemeinde Sandhausen erstmals ein auswärtiger Bürger sei, dem zugleich außerhalb der eigenen Gemeindegrenzen diese hohe Ehrung zuteil werde. Und doch geschehe dies in dem Verständnis, als würde ein Bürger Sandhausens geehrt. Erich Bertsch betonte, dass Robert Cazalet als Mitbegründer der Partnerschaft zwischen den beiden Gemeinden einen entscheidenden Beitrag zur Aussöhnung der beiden Völker geleistet habe. Das Pflänzchen Partnerschaft sei zu einem stattlichen Baum herangewachsen, der reichlich Früchte trage. Es ist übrigens selbstverständlich, dass man bei diesem Besuch auch den zwischenzeitlich verstorbenen Sandhäuser Bürgermeister Walter Reinhard hinreichend würdigte.
Klaus Reinhard berichtete, dass Robert Cazalet auch ein großer Fußballfreund war und er nahm ihn auch mit ins Stadion zu Spielen von Girondons Bordeaux, wenn Familie Reinhard sich in Lège-Cap-Ferret aufhielt.
Die Tochter von Anne-Marie Cazalet brachte es bis zur stellvertretenden Bürgermeisterin eines Stadtteiles von Bordeaux.
Tochter Florence war einige Jahre mit dem aus Mannheim stammenden Fußballspieler Gernot Rohr verheiratet, der u. a. bei Girondins Bordeaux spielte und dort auch Trainer war. Die beiden lernten sich kennen beim ersten Besuch einer Sandhäuser Delegation in Lège-Cap-Ferret. Nachdem die damals als Dolmetscher tätigen Sandhäuser verhindert waren, hatte Klaus Reinhard die Idee, Kontakt mit Gernot Rohr aufzunehmen, damit dieser als Dolmetscher dabei sein könnte. Dies hat dann sein Vater getan. Gernot Rohr sagte zu, übernahm die Dolmetscherfunktion und hierbei lernten sich Florence Cazalet und Gernot Rohr kennen.
Robert Cazalet verstarb am 18. Oktober 2012, einen Tag vor seinem 88. Geburtstag, in Ares (in unmittelbarer Nähe von Lège-Cap-Ferret liegend). Er wurde im engsten Familienkreis in seiner Heimat beigesetzt.
Seine Frau Ginette verstarb am 2. Oktober 2014. Sie war ihrem Mann eine treue Unterstützerin in all den Jahren und beteiligte sich aktiv an Wohltätigkeitsaktionen.
Die Gemeinde Sandhausen wird Robert Cazalet, den bedeutenden Politiker und großen Freund von Sandhausen, stets in dankbarer Erinnerung behalten und seine Verdienste um die Partnerschaft nicht vergessen.
Nachwort
Mein herzlicher Dank gilt Frau Hilde Reinhard und Herrn Klaus Reinhard, die mich mit Informationen versorgt haben, welche man nicht in Büchern oder im Internet nachlesen kann. Außerdem möchte ich mich bei Friedericke und Wolfgang Wettstein bedanken, die mir bei den Internet-Recherchen behilflich waren.
Wilfried Hager