Zur Freude von Katharina

Das Hofgut Katharinenplaisir in Cleebronn blickt auf eine bewegte Geschichte zurück Von Cosima Kroll 1735 wurde das Hofgut vom Amtmann Georg Xaver...
Im Hofgut Katharinenplaisir in Cleebronn fanden einst die Angehörigen Carl Friedrich Goerdelers Unterschlupf
Im Hofgut Katharinenplaisir in Cleebronn fanden einst die Angehörigen Carl Friedrich Goerdelers UnterschlupfFoto: Kroll

Das Hofgut Katharinenplaisir in Cleebronn blickt auf eine bewegte Geschichte zurück

Von Cosima Kroll 1735 wurde das Hofgut vom Amtmann Georg Xaver Grimm gegründet. Der Amtmann vertrat zu jener Zeit in Bönnigheim die Mainzer Ganerben, damals den Grafen Stadion. Der Bau war zur „Freude seiner Frau Katharina“ gedacht, deshalb auch die französische Bezeichnung Katharinenplaisir.

Zu größerem Ruhm gelangte das Hofgut jedoch durch den späteren Besitzer Dr. Carl Friedrich Goerdeler, der es 1943 erwarb. Goerdeler hatte als Kommunalpolitiker und Oberbürgermeister von Leipzig sowie als Wirtschaftsfachmann und Berater der Reichregierung Brüning schon frühzeitig Hitlers Weg in den Unrechtsstaat erkannt.

Während seiner Amtszeit prangerte er die Menschenrechtsverletzungen des NS-Regimes an und kritisierte Hitlers Kriegsvorbereitungen. Trotz des massiven Drucks, den die Nationalsozialisten auf ihn ausübten, gab er erst 1936 sein Amt als Oberbürgermeister von Leipzig auf.

Als er in Stuttgart eine beratende Tätigkeit für den Industriellen Robert Bosch übernahm, erhielt er die notwendige Tarnung und finanzielle Unabhängigkeit für ausgedehnte Reisen. Im Ausland warnte er vor der wachsenden Kriegsgefahr und versuchte das Bild vom friedfertigen Deutschland zurechtzurücken. Dabei appellierte er leidenschaftlich, Hitler nicht durch „Entgegenkommen zu immer weiteren Forderungen zu ermutigen“. Seine Warnungen vor einem nationalsozialistischen Regime verhallten jedoch ungehört. Der Präsident der Bank von England gab ihm sogar zu verstehen, dass es nicht „gentlemanlike“ sei, so von seiner Regierung zu sprechen. Während dieser Zeit erwarb Carl Goerdeler durch die Vermittlung der Firma Bosch das Hofgut Katharinenplaisir, um seine Familie in diesem abgelegenen Teil Deutschlands unterzubringen und zu schützen.

Immer mehr wurde Goerdeler im Untergrund Motor des Widerstands und Bindeglied zwischen militärischem und zivilem Widerstand. Sollte es zu einer Übergangsregierung kommen, war er als Reichskanzler vorgesehen. Nach dem gescheiterten Attentat am 20. Juli 1944 konnte Goerdeler zunächst untertauchen. Er floh in seine Heimatstadt Marienwerder, wo er am 12. August 1944 von einer Luftwaffenhelferin verraten wurde, die als Belohnung ein Kopfgeld von 1 Million Reichsmark erhielt.

Vom Volksgericht wurde er nach Haft und Folter zum Tode verurteilt. Doch bis zur Vollstreckung des Urteils saß er noch fünf Monate in Einzelhaft. Während dieser Zeit verfasste er einige Schriften über die Zukunft und den Wiederaufbau Deutschlands, aber auch sehr persönliche Aufzeichnungen und Briefe. In seinen letzten Zeilen bat er die Welt, das Märtyrerschicksal der Verschwörer anzunehmen als Buße für das deutsche Volk. Die Mächtigen sollten nicht das deutsche Volk für die Verbrechen des NS-Regimes strafen.

Einen Teil seiner Familie, darunter seine Schwiegertochter aus Königsberg mit ihren zwei kleinen Kindern (drei Jahre und neun Monate alt) hatte Goerdeler nach Cleebronn auf das Hofgut Katharinenplaisir geschickt. Auch seine 15-jährige Tochter, seine 16-jährige Nichte und ein 14-jähriges Pflichtjahrmädchen aus Königsberg lebten auf dem Hofgut. Goerdelers Frau und die älteste Tochter blieben in Leipzig.

Eine Woche nach dem Attentatsversuch auf Hitler wurden Goerdelers Frau, seine beiden Töchter, seine Schwiegertochter und weitere Angehörige in Leipzig und Heilbronn in Sippenhaft genommen. Sie blieben einige Wochen im Gefängnis in Heilbronn, von dort kamen sie ins KZ nach Stutthof, zusammen mit anderen Familien von Widerstandskämpfern. Später wurden sie in Konzentrationslager eingeliefert. Im Mai 1945 wurden sie in Dachau von den Amerikanern befreit.

Als die überlebenden Frauen völlig mittellos im Katharinenplaisir ankamen, das bis zur Enteignung nach dem 20. Juli 1944 Carl Goerdeler gehört hatte, wurden sie vom Verwalter sehr feindselig empfangen. Die unerwartet auftauchenden Angehörigen eines „Vaterlandsverräters“ waren nicht gern gesehen im Katharinenplaisir.

Um die beiden kleinen Kinder, die nach dem Attentatsversuch vom 20. Juli auf dem Hofgut zurückgelassen wurden, kümmerten sich der Verwalter und das Pflichtjahrmädchen. Im Februar 1945 kamen sie in ein Kinderheim in Bad Sachsa bei Göttingen. Nach Kriegsende wurden die Kinder wieder mit der Familie vereint, doch erst 1950 erhielten Goerdelers Frau eine Pension und die jüngste Tochter Waisenrente. Das Katharinenplaisir verkaufte die Witwe Goerdelers 1950 und zog weg. Ihre Töchter und auch die Schwiegertochter hatten schon zuvor das Zabergäu verlassen.

Durch Zufall fand der 1. Vorsitzende der historischen Gesellschaft Kurt Sartorius bei einer Tagung an der Hauskapelle des Hotels „Pragser Wildsee“ in Südtirol eine Plakette, die ihn stutzig werden ließ. Die Inschrift der Tafel lautete: Am 30. April 1945 fanden im Hotel Pragser Wildsee 133 Häftlinge der SS erste Aufnahme nach ihrer Befreiung durch die Deutsche Wehrmacht in Niederdorf. Die prominenten Gefangenen aus 17 Ländern Europas waren noch am Ende des 2. Weltkrieges aus mehreren deutschen Konzentrationslagern als Geiseln nach Südtirol verschleppt worden. Ihnen öffnete die Hotelbesitzerin ihr Haus zur Rückkehr ins Leben.“ Am 4. Mai trafen amerikanische Soldaten am Pragser Wildsee ein und befreiten die Häftlinge, unter denen sich Carl Goerdelers Ehefrau Anneliese, zwei ihrer Töchter und ein Sohn sowie dessen Ehefrau befanden. Auch der Bruder Carl Goerdelers und eine Cousine befanden sich in SS-Geiselhaft. Ein weiterer Sohn von Anneliese und Carl Goerdeler wurde im KZ Dachau zu einem Arbeitskommando eingeteilt und kam nie am Pragser Wildsee an.

Die prominenten Geiseln stammten aus den besetzten Ländern Europas und wurden an geheim gehaltenen und isolierten Orten in Konzentrationslagern und eigens dafür eingerichteten Sonderlagern, „SS-Sonderkommandos“ genannt, untergebracht. Dazu zählten Sippenhäftlinge wie die Familie Schenk Graf von Stauffenberg und eben auch die Angehörigen der Familie Goerdeler, die als Faustpfand bei Verhandlungen dienen.

Im Hofgut Katharinenplaisir in Cleebronn fanden einst die Angehörigen Carl Friedrich Goerdelers Unterschlupf
Im Hofgut Katharinenplaisir in Cleebronn fanden einst die Angehörigen Carl Friedrich Goerdelers Unterschlupf.Foto: Kroll
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