Am Montagabend versammelten sich rund 60 Interessierte im Ludwig-Hofacker-Haus in Bad Wildbad, um mehr darüber zu erfahren, wie der Zusammenschluss der evangelischen Kirchengemeinden im Oberen Enztal konkret umgesetzt wird.
Die evangelische Kirchengemeinde Bad Wildbad hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen, um die Details des geplanten Prozesses zu erläutern. „Die Kirchengemeinde ist für alle, sie lebt davon, dass Menschen sich engagieren. Wir müssen flexibel bleiben und neu denken und auch manche Gewohnheiten aufgeben“, sagte Kirchengemeinderat Ernst-Oswald Mayer. Als Beispiel nannte er das Feiern der Gottesdienste. „Müssen es jeden Sonntag Gottesdienste sein oder kann man sich auch Andachten an verschiedenen Orten vorstellen?“
Nach der Begrüßung von Kirchengemeinderätin Ulrike Kämmerer und einführenden Worten von Klinikpfarrerin Barbara Schmidt erklärte Kirchengemeinderat Ernst-Oswald Mayer in einer anschaulichen PowerPoint-Präsentation, was die Fusion für die einzelnen Gemeinden und ihre Mitglieder bedeutet und wie es zu diesem Fusionsgedanken gekommen war. Im Mittelpunkt standen die Herausforderungen durch den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel im Pfarrberuf, die sich zunehmend auf die kirchliche Arbeit auswirken. Landesweit sinkt die Zahl der Pfarrstellen um etwa 25 Prozent – auch im Oberen Enztal ist dieser Trend spürbar. Ziel der Fusion ist es, durch eine intensivere Zusammenarbeit der Gemeinden diese Veränderungen besser zu bewältigen.
Die geplanten Fusionen betreffen die fünf evangelischen Kirchengemeinden Bad Wildbad (einschließlich Sprollenhaus), Calmbach, Höfen, Enzklösterle und Aichelberg. Die erste Idee, diese Gemeinden zusammenzuführen, wurde auf einem Treffen der Kirchengemeinderäte im Mai 2023 vorgestellt. In diesem Zusammenhang wurde auch der „Pfarrplan 2030“ diskutiert, der die Notwendigkeit einer Optimierung der kirchlichen Struktur verdeutlichte.
Nach mehreren Beratungen und mit Unterstützung der Landeskirche in Form von zwei Beratern wurde die Entscheidung getroffen, die fünf Gemeinden in zwei größere Einheiten zu fusionieren. Die beiden Berater leiten seit März 2024 die sogenannte Steuerungsgruppe, für die jeder Kirchengemeinderat Mitglieder benannte: Pfarrer, der zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats und ein Kirchengemeinderatsmitglied. Die Steuerungsgruppe berät die Veränderungen vor und informiert den Kirchengemeinderat zeitnah. Dieser stellt jetzt den Vorschlag der Gemeinde in der Gemeindeversammlung vor.
Die geplante Aufteilung sieht vor, dass Bad Wildbad mit Sprollenhaus, Enzklösterle und Aichelberg eine neue Gemeinde bildet, während Calmbach und Höfen ebenfalls eine eigene neue Kirchengemeinde bilden sollen. Ab 2030 stehen noch drei Pfarrstellen zur Verfügung: Eine 100 Prozent Pfarrstelle für die Kirchengemeinde Calmbach und Höfen, eine für Bad Wildbad und Aichelberg und eine für Enzklösterle und Bad Wildbad (davon 25 Prozent Sonderseelsorge).
Meyer betonte, dass die Pfarrstellenreduzierungen nicht ausschließlich durch die Fusionen bedingt sind – die Veränderungen in der Pfarrstellenstruktur wären auch ohne Fusionen notwendig gewesen. Dennoch soll die Fusion helfen, diese Herausforderungen besser zu bewältigen.
Ernst-Oswald Mayer stellte klar, dass keine der bestehenden Kirchen aufgegeben wird und an allen Standorten weiterhin Gottesdienste stattfinden sollen. Diese Gottesdienste werden in einem gemeinsamen Plan organisiert, der durch die Fusionen einen strukturellen Rahmen schafft. Die Anzahl der Gottesdienste könnte sich jedoch verändern, da eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden größere Veranstaltungen ermöglichen würde. Darüber hinaus bleibt es das Ziel, bestehende Angebote wie Kirchenchöre und soziale Projekte zu erhalten und diese gegebenenfalls sogar weiter auszubauen.
Die Steuerungsgruppe legt großen Wert auf die Entlastung der Pfarrpersonen sowie der Haupt- und Ehrenamtlichen in den Bereichen Verwaltung und Geschäftsführung. Darüber hinaus soll das Potenzial für sinnvolle Synergieeffekte zwischen Gruppen und Kreisen, wie etwa dem Posaunenchor, gezielt genutzt werden. Auch die machbare Umsetzung der neuen Struktur sowie die Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten sind zentrale Anliegen. Dies wurde von Ernst-Oswald Mayer berichtet.
Im Juli beschlossen die drei Kirchengemeinderatsgremien den Namen der fusionierten Gemeinde: Evangelische Kirchengemeinde Obere Enz. Diese wird als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt, mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Der Zusammenschluss erfolgt in Form einer Anschlussfusion, was bedeutet, dass die Kirchengemeinden Aichelberg, Enzklösterle und Bad Wildbad gleichberechtigt miteinander fusionieren. Dadurch bleibt die Kirchenpflege in der neuen Gemeinde erhalten, zunächst bis zum Jahr 2030. „Weiter gehen im Moment die Berechnungen noch nicht“, erklärte Mayer.
In der neuen Ortssatzung der Kirchengemeinde wird geregelt, welche Ausschüsse und Zuständigkeiten im Kirchengemeinderatsgremium bestehen und wie die Sitze verteilt sind. So wird bestimmt, dass es zwei beschließende Ausschüsse geben wird: den Bauausschuss und den Kindergartenausschuss. Zudem können noch beratende Ausschüsse hinzugefügt werden.
Gemäß der unechten Teilortswahl erfolgt die Sitzverteilung im Kirchengemeinderat wie folgt: Drei Vertreter aus Aichelberg, sieben aus Bad Wildbad (darunter vier aus Bad Wildbad und drei aus Sprollenhaus), vier aus Enzklösterle sowie eine Kirchenpflegerin und zwei Pfarrpersonen kraft Amtes. Insgesamt setzt sich der Kirchengemeinderat somit aus 17 Personen zusammen, davon 14 gewählte und drei kraft Amtes.
Zusammengefasst steht in der Präambel der Ortssatzung, wie sich die Kirchengemeinde versteht: ... „Wir sollen uns an die Wahrheit halten und uns von der Liebe leiten lassen. So wachsen wir in jeder Hinsicht dem entgegen, der das Haupt ist: Christus. Von ihm her wird der ganze Leib zusammengefügt und durch Sehnen zusammengehalten und gestützt. Dabei erfüllt jedes einzelne Teil seine Aufgabe, entsprechend der Kraft, die ihm zugeteilt ist. So wächst der ganze Leib heran, bis er durch die Liebe aufgebaut ist.“
Ernst-Oswald Mayer nannte zudem verschiedene Chancen, die sich durch die Fusion ergeben könnten. Dazu gehört unter anderem eine effizientere Gremien- und Verwaltungsarbeit durch die Zusammenführung von Aufgaben, die höhere Attraktivität der Pfarrstelle aufgrund der vereinfachten Verwaltungsstruktur, eine verbesserte Zusammenarbeit innerhalb der Kirchengemeinde sowie eine optimierte Arbeitsteilung der Ehrenamtlichen. Außerdem würde es bei den Kirchengemeinderatswahlen möglich, mit weniger Personen auszukommen.
Im nächsten Schritt, nachdem alle Gemeindeversammlungen abgehalten wurden, werden die Kirchengemeinderäte der fünf Gemeinden über die Fusion abstimmen. Die entsprechenden Beschlüsse sollen bis spätestens 28. Februar 2025 an die Landeskirche übermittelt werden. Das Ziel ist es, die Fusion bis zum 30. November 2025 abzuschließen, sodass im Rahmen der Kirchenwahlen die neuen Kirchengemeinderäte für die beiden fusionierten Gemeinden gewählt werden können. Die administrative Umsetzung der Fusion ist für den 1. Januar 2026 vorgesehen. „Ich freue mich schon darauf, gemeinsam den Fusions-Gottesdienst zu feiern“, so Mayer.
Die nächste Gemeindeversammlung findet am 24. November in Enzklösterle statt. Weitere Versammlungen sind am 1. Dezember in Calmbach und Aichelberg um jeweils 10.30 Uhr sowie in Höfen um 12.00 Uhr angesetzt.
„Gibt es in jedem Ortsteil einen Verantwortlichen für die Seelsorge, beispielsweise?“, fragte ein Besucher. Die Antwort von Pfarrerin Barbara Schmidt war eindeutig: „Ja.“ Sie versicherte, dass nach der Fusion klar geregelt sein wird, wer für welche Aufgaben zuständig ist. „Momentan befinden wir uns in einer Übergangsphase mit Vertretungssituationen. Aber nach der Fusion wird die Zuständigkeit genau festgelegt und auch in der Geschäftsordnung verankert“, erklärte sie weiter.
Ein weiterer Besucher wollte wissen: „Gibt es dann nur eine Kirchengemeinde mit einem Kirchengemeinderat und einem Haushalt, oder behält jeder Ort seinen eigenen Haushalt?“ Pfarrerin Schmidt antwortete, dass der Haushalt zwar für die gesamte Gemeinde geführt wird, aber es trotzdem möglich sei, die Ausgaben pro Ortsteil nachzuvollziehen. „Jeder Ortsteil kann einsehen, wie viel Geld zum Beispiel in Aichelberg ausgegeben wurde, aber formal gesehen handelt es sich um eine einzige Kirchengemeinde mit einem Haushalt“, erläuterte sie.
Einige Besorgnis äußerte eine Besucherin bezüglich der geplanten Reduzierung der Pfarrstellen: „Mit nur drei Pfarrern für so viele Gemeinden sehe ich das als kritisch. Was passiert, wenn mal einer krank ist und der andere im Urlaub? Gibt es da Unterstützung durch den Oberkirchenrat?“ Ernst-Oswald Mayer gab zu, dass dies eine Herausforderung darstellt und dass er keine abschließende Antwort darauf habe. Barbara Schmidt gab ebenfalls zu, dass es hin und wieder zu Engpässen kommen könne. Matthias Schmidt, der derzeit als Pfarrer im Oberen Enztal vertretungsweise tätig ist, versuchte, diese Bedenken ein wenig zu entkräften: „Trotz der Fusion bleibt die Pastorationsdichte im Oberen Enztal unverändert. Eine 100-Prozent-Stelle wird auch weiterhin für etwa 1500 Gemeindeglieder zuständig sein“, sagte er. Dies bedeutet, dass die Verteilung der Pfarrstellen so bleiben soll, dass das Verhältnis zwischen der Anzahl der Gemeindeglieder und den Pfarrpersonen nicht sinkt.
Eine Besucherin äußerte sich positiv zur Idee, in Zukunft auch andere Formen des Gottesdienstes zu feiern, anstatt sich „nur“ auf die traditionellen Modelle zu stützen. Barbara Schmidt unterstützte diesen Gedanken: „Wir sollten das Gesamtbild im Blick haben und uns nicht nur auf unsere eigene Gemeinde konzentrieren“, sagte sie. Doch nicht alle Anwesenden teilten diese Ansicht. Eine andere Besucherin meinte: „Ich finde die Situation mit den Gottesdiensten jetzt schon schwierig. Mit der Fusion wird sich das nicht unbedingt verbessern.“ Barbara Schmidt reagierte darauf und stellte klar: „Ich muss mir immer bewusst machen, ob ich mich auf den Mangel konzentriere, oder ob ich die Chance sehe, zum Beispiel auch in einer Nachbargemeinde zum Gottesdienst eingeladen zu werden.“
Im Anschluss kam die Frage auf, wie es mit den Fahrmöglichkeiten zu den Gottesdiensten aussehen würde. „Es wäre wünschenswert, wenn es entsprechende Fahrangebote gäbe“, sagte eine Besucherin. Doch Barbara Schmidt wies darauf hin, dass solche Angebote wohl eher privat organisiert werden müssten. Ein anderer Vorschlag, die Gottesdienste besser mit den Busverbindungen abzustimmen, stieß ebenfalls auf offene Ohren.
Ein Besucher schlug vor, auch Gottesdienste ohne Pfarrer, sogenannte Lesepredigten, zu halten. In diesem Fall würde der Pfarrer die Predigt vorbereiten, die dann von einer anderen Person vorgelesen werden könnte. Die Idee wurde interessiert aufgenommen und könnte eine Möglichkeit sein, die Gottesdienstgestaltung flexibler zu gestalten.
Tobias Götz, Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks Nördlicher Schwarzwald, ergriff das Wort und bezog sich auf die Zettel, die jeder Besucher, zusammen mit einem Kugelschreiber und einem Bonbon, an seinem Sitzplatz vorfand. Auf diesen Zetteln war eine Hand abgebildet, deren fünf Finger jeweils ein unterschiedliches Empfinden zur Fusion symbolisierten. Der Daumen stand beispielsweise für „Das finde ich super“. Hierzu meldete sich ein Besucher aus Enzklösterle zu Wort: „Ich habe in unserer Steuerungsgruppe festgestellt, dass ich viel Freude an der Ergänzung der Gemeinden hatte und nicht ständig darüber nachdenken musste, wie wir immer weniger werden.“
Beim Zeigefinger, der für „Ich gebe zu bedenken“ stand, äußerte ein Besucher Bedenken hinsichtlich der Erreichbarkeit der Gottesdienste. „Die meisten Gottesdienstbesucher sind ältere Menschen. Es ist nicht einfach für sie, ins Nachbardorf zu kommen, wenn sie nicht mehr selbst Auto fahren können“, sagte er. Ein weiterer Vorschlag war, Prädikanten für die Gottesdienste einzusetzen, was ebenfalls zur Diskussion gestellt wurde.
Pfarrer Matthias Schmidt berichtete von seinen Erfahrungen aus Bad Teinach-Zavelstein, wo ein Pfarrer für sieben Ortsteile und sieben Kirchen zuständig ist. „Früher waren in jedem Ortsteil fünf Personen im Gottesdienst, heute findet der Gottesdienst nur noch in einem Ortsteil statt, und es kommen 30 bis 40 Personen“, betonte er.
In der Kategorie „Mittelfinger – Das stinkt mir“ meldete sich ein Besucher zu Wort und fragte nach der Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit. „Wie geht es da weiter?“, fragte er. Diakonin Beate Kunz konnte an dem Abend so viel dazu sagen: „Wir haben gerade eine sehr erfolgreiche Kinder-Bibel-Woche im Oberen Enztal hinter uns, bei der viele Ehrenamtliche mitgearbeitet haben. Jetzt sind wir dabei, neue Konzepte zu entwickeln und zu überlegen, wo wir unsere Schwerpunkte setzen.“ Ernst-Oswald Mayer erinnerte an den Förderkreis Jugendarbeit, der immer auf Spenden und finanzielle Unterstützung angewiesen ist.
Eine weitere Besucherin äußerte sich kritisch zu der Frage, wie neue Mitglieder für die Kirche gewonnen werden könnten. „Das vermisse ich völlig. Ich kann mir außerdem kaum vorstellen, dass die Fusion zu einer Entlastung für die Haupt- und Ehrenamtlichen führt“, sagte sie. Barbara Schmidt erklärte daraufhin, dass die derzeitige Strukturveränderung zwar viel Arbeit verursache, aber in Zukunft – nach Abschluss der Fusion – neue Perspektiven eröffnet werden sollten, um die Gemeinde aktiv zu gestalten und aufzubauen.
Zum Abschluss der Veranstaltung sagte Tobias Götz: „Für die Zukunft der Kirche ist es entscheidend, dass wir trotz aller Veränderungen und Herausforderungen im Kontakt mit Gott bleiben. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.“ Barbara Schmidt fügte hinzu: „Wir können nicht ändern, was uns passiert, aber wir haben die Freiheit, zu entscheiden, wie wir damit umgehen.“
Zum Abschluss begleitete Ewald Haag, der Organist aus Sprollenhaus und Leiter des Posaunenchors, die Besucher beim Singen des Musikstücks „Strahlen brechen viele aus einem Licht“.
Ein stimmungsvolles Ende eines abendlichen Gesprächs über die Zukunft der Kirchengemeinden im Oberen Enztal. (mm)