
Partizipation ist ein großes Schlagwort in der Pädagogik – doch was bedeutet es im Alltag mit den Kleinsten wirklich? Manchmal entsteht das Missverständnis: „Wir lassen die Kinder einfach alles entscheiden – das ist doch partizipativ.“ Doch echte Partizipation braucht mehr: Beziehung, Orientierung und verlässliche Begleitung.
Kinder in der Krippe erleben viele Erwartungen: Sie sollen kooperieren, teilen, Regeln einhalten, sich an neue Personen anpassen, beim Essen stillsitzen oder Konflikte „gut“ lösen. Oft fehlt ihnen jedoch noch die Strategie dafür. Dazu kommen Lärm, Gruppendynamik und der Druck, sich immer „anzupassen“. Kein Wunder, dass viele Kinder am Ende eines Tages erschöpft sind.
Partizipation heißt deshalb nicht: „Mach alles alleine.“ Und Freiheit heißt nicht: „Du bist auf dich gestellt.“ Kinder dürfen mitentscheiden – und brauchen dabei gleichzeitig Halt. Ein Kind kann spüren, ob es Hunger hat. Aber manchmal rückt dieses Gefühl im Trubel in den Hintergrund. Dann braucht es Erwachsene, die sensibel begleiten: „Möchtest du jetzt eine Pause zum Essen?“ oder „Ich erinnere dich daran, dass du etwas brauchst.“
Eltern und Fachkräfte erleben: Zu viele Entscheidungen können Kinder überfordern. Wenn sie aus der Auswahl im Kleiderschrank frei wählen sollen, führt das nicht zu Selbstständigkeit, sondern zu Stress. Darum ist ein klarer Rahmen wichtig. Innerhalb dieses Rahmens gibt es Wahlmöglichkeiten, die Kinder ernst nehmen, ohne sie allein zu lassen.
Ein schönes Beispiel erleben wir täglich in der Bewegung: Unsere Kinder krabbeln, balancieren, klettern oder schaukeln – oft auf selbst gewählten Wegen. Sie entscheiden, ob sie sich an den Holzbögen hochziehen, ob sie den Mut haben, zu balancieren oder lieber erst zuschauen. Bewegung bietet Partizipation pur: Kinder probieren aus, gehen eigene Schritte, machen Erfahrungen in ihrem Tempo. Gleichzeitig sind wir Erwachsene da, um Sicherheit zu geben – wir sichern ab, reichen eine Hand oder ermutigen.
Partizipation ist ein Dialog. Es geht um verhandelbare und nicht verhandelbare Bereiche. Verhandelbar ist zum Beispiel: „Möchtest du dir zuerst Nudeln oder Gemüse nehmen?“ Nicht verhandelbar ist: „Wir essen am Tisch und nicht im Laufen.“ Kinder brauchen Erwachsene, die unterscheiden können und die Balance zwischen Autonomie und Orientierung wahren.
Wir möchten in unseren Krippen Räume schaffen, in denen Kinder spüren: „Meine Meinung zählt – und gleichzeitig bin ich nicht allein.“
Beziehung bedeutet auch Entlastung. Aus diesem sicheren Rahmen heraus können Kinder wachsen, Selbstvertrauen entwickeln und echte Selbstbestimmung lernen.
Herzliche Grüße
Tina Stockhausen