Mannheimer Songwriter

Zwischen Mundart und Indie: Gringo Mayer im Porträt

Gringo Mayer bringt Kurpfälzer Dialekt in die Popmusik – ehrlich, rau und mit Haltung. Ein Musiker, der Grenzen sprengt und berührt.
Gringo Mayer mischt Mundart und Indie - und schafft dabei seinen ganz eigenen Stil.
Gringo Mayer mischt Mundart und Indie - und schafft dabei seinen ganz eigenen Stil.Foto: Christina Gotz

Der Mannheimer Songwriter Gringo Mayer hat sich in den letzten Jahren vom Geheimtipp zum Phänomen entwickelt – nicht trotz, sondern wegen seines Dialekts, seiner Haltung und seiner ganz eigenen Idee davon, was Popmusik sein kann. Mal rau, mal melancholisch, oft ironisch – aber nie zynisch.

Seine Songs heißen: „Ru‘ do driwwe“, „Oh Jesses“ oder auch „Ewe longts“. Seine Markenzeichen: Zurückgegelte Haare, Schnauzer, 70er-Jahre Outfit und allem voran – sein Kurpfälzer Dialekt. In seiner Musik bewegt er sich irgendwo zwischen Mundart, Indie und Blues. Während der Dialekt im Kabarett oft für billige Lacher herhalten muss, trägt Gringo Mayer ihn auch mit einer ernsthaften Note vor. Seine Songs sind dadurch vor allem eines: ehrlich.

Aber von vorn. Aufgewachsen ist Gringo Mayer – bürgerlich Tim Mayer - in der Ludwigshafener Gartenstadt, Ernst-Reuter-Siedlung – ein typisches Arbeiterviertel mit vier- bis fünfgeschossigen Mehrfamilienhäusern und viel Grün dazwischen. Schon als Kind träumte er dort gemeinsam mit einem Freund davon, einmal Sänger zu werden.

Video: Gringo Mayer - Äni rache

Er ließ sich die Haare wachsen, lernte seine ersten beiden Akkorde auf der Gitarre – und schrieb damit gleich die ganze Nacht lang Songs. „In so einem Fantasie-Englisch, das natürlich total schlecht war“, erinnert er sich. „Ich dachte damals, Popsongs müssen einfach auf Englisch sein – auf Deutsch geht das gar nicht.“ Seine Einflüsse damals: Oasis, The Strokes, Pete Doherty, The Ramones - Gitarrenmusik eben.

Inspiriert vom hanseatischen Sound

Erst später fand auch deutschsprachige Musik den Weg in sein Leben. „Das fing an mit Tocotronic“, erzählt Mayer. Besonders prägend sei für ihn dann der norddeutsche, hanseatische Sound gewesen: „Da hab‘ ich gedacht: Ich muss auch irgendwie hanseatisch klingen – also hab‘ ich natürlich versucht, Hochdeutsch zu singen.“ Ohne Erfolg: Der Dialekt klang immer noch durch. „Ich hab‘ dann auf Teufel komm raus versucht, das irgendwie wegzubekommen. Dialekt – das war für mich damals völlig undenkbar.“ In der Region fehlten ihm die Vorbilder, mit denen er sich hätte identifizieren können.

Die ersten Erfahrungen mit dem Dialekt in seiner Musik machte er schließlich in seinen Zwanzigern. Damals wurde er gefragt, ob er eine Blues-Nummer für den Spielfilm „Mannheim – Neurosen zwischen Rhein und Neckar“ schreiben könnte. „Der Text floss einfach so raus, das lief wie von selbst“, erinnert sich der Musiker. Für seinen Geschmack jedoch zu altbacken, zu erwartbar.

Video: Gringo Mayer - Monnemer Dreck

In der Ferne zurück zu den Wurzeln

Bevor er mit seinem Dialekt so richtig warm werden konnte, zog es ihn aber erst einmal für ein einjähriges Intermezzo in die Ferne – nach Freiburg. „Ich hab‘ mitten im Schwarzwald gelebt – ein wunderschönes Einsiedlerleben. Und da hab‘ ich dann musikalisch rumprobiert, geschaut, was geht.“ Eines Nachts habe er dann „Viel Zu Arg“ geschrieben. Ein Song, der später auch auf Mayers ersten Album landen sollte.

„Da hab‘ ich gemerkt: Okay, das ist eine Art, wie ich den Dialekt mit etwas verbinden kann, das für mich auch popkulturell relevant ist. Das war mir wichtig – dass es nicht nur nach Mundart-Kabarett klingt, sondern nach was Eigenem“, erzählt er. Als Mayer wegen der Corona-Pandemie bei seinem Kellner-Job in Kurzarbeit musste, war dann auch genug Zeit, um am ersten Album „Nimmi Normal“ zu schreiben.

Inspiration dafür kam auch aus Österreich. Hier ist der Dialekt längst in der Popmusik angekommen. Die Musik von Voodoo Jürgens und Der Nino aus Wien hätten ihn ermutigt, den eigenen Dialekt zu nutzen – auch, wenn es einige Unterschiede gibt, so Mayer: „Natürlich hat das Wienerische so eine gewisse Kaiserlichkeit, so einen besonderen Klang – und der Mannheimer oder Ludwigshafener Dialekt, also Kurpfälzisch, wirkt im Vergleich oft ein bisschen gröber, einfacher. Aber trotzdem hab‘ ich gemerkt: Ich kann damit spielen.“

Gleichzeitig öffne die Kurpfälzer Mundart neue Zugänge zur Musik und zu den Themen der Songs. „Ich hätte mich zum Beispiel nie getraut, auf Hochdeutsch einen Song über Fußball zu schreiben. Einfach, weil ich nicht gewusst hätte, wie ich das machen kann – mit einem Augenzwinkern, aber trotzdem mit echter Liebe zum Sport. Und gleichzeitig vielleicht auch mit Kritik, mit einem gewissen Zeigefinger“, erklärt Mayer. Dass diese Tiefe, dieser doppelte Boden erst durch den Dialekt möglich wird, beweist sein Fußball-Song „Gibt’s Do‘ Net“.

Video: Gringo Mayer - Gibt's do' net

Die Sprache der Musik

Beim Publikum kommts an – selbst außerhalb der Heimatregion. Das dürfte zum einen an Mayers eingängigen Refrains liegen. Phrasen wie „Ahjoo“ versteht man wohl selbst im Norden. Und auch wenn es mal Sprachbarrieren gibt, ist das für Mayer kein Problem: „Ich selbst hör ja auch fast nur englischsprachige Musik – und da versteh ich auch nicht jedes Wort. Aber ich spür, worum’s geht. Ich spür die Energie, die Emotion, die Absicht hinter dem, was da passiert.“

Letztlich brachte ihn ausgerechnet sein Dialekt auch noch der Hamburger Indie-Szene näher. Als Supportact für Ex-Tomte-Sänger Thees Uhlmann lernte Mayer dessen Manager – selbst gebürtiger Ludwigshafener – kennen. Und so war bald der Kontakt zum Indie-Label Grand Hotel van Cleef (GHVC) geknüpft. Es folgten Auftritte beim GHVC-Jubiläum, bei Inas Nacht, eine Tour als Support von Kettcar und später auch eine Erwähnung im Podcast „Fest und Flauschig“ von Olli Schulz und Jan Böhmermann – das brachte ihm deutschlandweite Bekanntheit ein. Für Mayer schloss sich hiermit auch ein Kreis. „Wenn man seinen eigenen Weg geht, landet man genau dort, wo man eigentlich hinwollte.“

Video: Gringo Mayer - Ahjoo (Inas Nacht)

Lieder von der Liebe

Mit seinem neuesten Album „Laav“, das im Januar erschien, hat Gringo Mayer ein neues Kapitel aufgeschlagen. „Ich wollte eine weichere Seite zeigen. Nicht, weil ich mich verändert hab, sondern weil ich zeigen wollte, was ich noch alles bin“, erklärt er. Das Album sei ein Statement – und nicht zuletzt ein Gegenentwurf zur gesellschaftlichen Stimmung. „Wir leben in einer Zeit, in der es viel Streit gibt. Spaltung. Unzufriedenheit. Und ich finde: genau dann braucht’s Liebe.“

Der Titel „Laav“ – in Anspielung auf das englische Wort „love“ - mag auf den ersten Blick kitschig wirken, räumt er ein. „Aber Liebe ist nicht nur Sonnenschein und sich Küsschen geben. Liebe ist Konflikt, die Bereitschaft zum Streit – und die Bereitschaft, gemeinsam was aufzubauen, trotz allem.“ Diese Sicht auf das Thema durchzieht die Platte – ohne in klassische Liebeslieder abzugleiten. Nur „Wahri Liebe dud weh“ sei ein echter „Schmachtfetzen“, wie er sagt. Der Rest bleibe seinem Stil treu: Dialekt, Pop, mit Tiefgang, aber nicht bleiern.

Anpacken und Hochziehen

Songs wie „Wasn los“ seien melancholischer als vieles, was er zuvor gemacht habe. „Da geht’s ums Älterwerden, wie die Gesellschaft damit umgeht“, erklärt er. „Ich war stolz, dass wir das Thema so verpackt haben, dass es nicht runterzieht.“ Und trotzdem sei es etwas anderes, solche Lieder auf der Bühne zu singen. „Ich sehe meine Rolle eigentlich darin, die Leute zu befreien – nicht, indem ich so tue, als wär alles gut, sondern indem ich den Ballast ein bisschen anpack‘ und hochzieh‘. Dass man merkt: Okay, es ist leichter als vorher. Obwohl’s noch da ist.“

Video: Gringo Mayer - Laav Hotel (Kurzfilm)

Und darin liegt wohl das besondere an Gringo Mayers Musik: Sie ist ein Angebot zur Verständigung – über Sprachgrenzen, Stadtgrenzen und Schubladen hinweg. Seine Songs funktionieren dort, wo Sprache zur Haltung wird und Echtheit mehr zählt als Perfektion. „Und für mich ist das eigentlich das Schönste an Musik: Dass sie so was Universelles hat. Ich hab‘ bislang jedenfalls nie das Gefühl gehabt, dass der Dialekt auf der Bühne eine Grenze ist.“

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von Redaktion NUSSBAUMKevin Moschner
05.06.2025
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