Die Lebenshilfe Wiesloch befindet sich in einem dynamischen Veränderungsprozess. Die Organisation, die Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Lebensbereichen unterstützt, hat in den letzten Jahren wichtige Umstrukturierungen durchlaufen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Fachkräftemangel, die Anpassung an neue gesetzliche Regelungen und der Ausbau von Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten für betreute Personen.
Stephan Hinz, der seit zwei Jahren die Geschäftsführung übernommen hat, schildert die Herausforderungen, denen sich die Organisation stellen muss: „Mein Vorgänger war 35 Jahre im Amt und kannte jede Ecke und jedes Detail der Lebenshilfe. Mit dem Wechsel in der Führungsebene mussten wir viele Prozesse neu bewerten und anpassen.“ Neben Hinz gehören David Schloz und Thomas Hack zum Leitungsteam. Ein großes Projekt war die Eröffnung eines neuen Wohnhauses mit Tagesförderstätte, das im Oktober 2024 bezogen wurde. Die Verzögerung durch bauliche und organisatorische Hürden verdeutlichte die komplexe Aufgabe, moderne Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen zu schaffen und gleichzeitig qualifiziertes Personal zu gewinnen. Zudem ist das Wohnprojekt auch als ein Ort der Begegnung konzipiert, der Austausch mit der Nachbarschaft fördern soll. Die geplanten Wohnkonzepte setzen auf ein inklusives Miteinander, das den Bewohnern ermöglicht, in die Gemeinschaft integriert zu werden. Die Geschäftsführung betont, dass Veränderungen notwendig sind, um die Lebenshilfe zukunftsfähig zu gestalten. Besonders die Anpassung an das Bundesteilhabegesetz erfordert tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Hinz erklärt: „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Wir müssen neue Abrechnungsmodelle umsetzen und unsere Strukturen anpassen. Das ist eine Mammutaufgabe, die wir Schritt für Schritt angehen.“
Ein zentrales Problem, mit dem sich die Lebenshilfe Wiesloch konfrontiert sieht, ist der Mangel an Fachkräften. „Wir haben aktuell rund 270 bis 300 Mitarbeitende und dennoch offene Stellen. Ohne ausreichend Personal können wir neue Wohnplätze nur begrenzt belegen“, erklärt Hinz. Um dem entgegenzuwirken, werden vermehrt Quereinsteiger ausgebildet. Zudem sollen verstärkt Ausbildungsmöglichkeiten für ErzieherInnen, HeilerziehungspflegerInnen und ArbeitserzieherInnen geschaffen werden. Ein weiteres Projekt zur Fachkräftesicherung ist die Zusammenarbeit mit regionalen Schulen. Durch Praktikumsangebote und Kooperationen mit Berufsschulen sollen bereits junge Menschen frühzeitig an soziale Berufe herangeführt werden. „Wir brauchen junge Menschen, die sich für soziale Berufe begeistern. Deshalb arbeiten wir mit Hochschulen zusammen, nehmen an Jobmessen teil und bauen unser Ausbildungskonzept weiter aus“, betont Schloz.
Neben Wohnangeboten liegt ein weiterer Fokus auf Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung. Neben der Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WFBM) kooperiert die Lebenshilfe mit regionalen Unternehmen, um Außenarbeitsplätze zu schaffen. Ein Beispiel ist das Unternehmen Sunrise Medical, wo Mitarbeitende Verpackungsmaterial trennen und entsorgen. „Diese Tätigkeiten sind essenziell, aber auf dem freien Arbeitsmarkt oft schwer zu besetzen. Unsere Beschäftigten erledigen sie mit Freude und Engagement“, sagt Hinz. Auch in Kindergärten, Supermärkten und industriellen Betrieben sind Klienten der Lebenshilfe tätig. Der Bereich soll 2025 weiter ausgebaut werden, um mehr Menschen eine selbstbestimmte berufliche Zukunft zu ermöglichen. Die Anerkennung und angemessene Bezahlung für Menschen mit Behinderung im Arbeitsmarkt bleibt eine Herausforderung. Die Lebenshilfe setzt sich dafür ein, dass Außenarbeitsplätze in der Wirtschaft besser integriert und gefördert werden. „Es geht nicht nur um Beschäftigung, sondern um faire Bezahlung und gesellschaftliche Anerkennung“, erklärt Schloz. Die Werkstätten der Lebenshilfe bieten zudem Tätigkeiten in den Bereichen Metallverarbeitung, Verpackung und Montage an. Durch gezielte Qualifizierungsmaßnahmen sollen Beschäftigte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. „Es gibt bereits Erfolgsgeschichten, bei denen ehemalige Werkstattmitarbeiter in reguläre Unternehmen integriert wurden. Das wollen wir weiter fördern“, sagt Hinz.
Um die Sichtbarkeit der Lebenshilfe Wiesloch zu erhöhen, wurden 2024 verstärkt soziale Medien genutzt und eine neue Homepage gestaltet. „Wir wollen noch stärker in die Gesellschaft gehen und zeigen, was wir tun. Je mehr Menschen uns kennenlernen, desto größer ist auch die Unterstützung für unsere Arbeit“, erklärt Schloz. Ein weiteres Vorhaben für 2025 ist die Förderung von Ehrenamtlichen. „Wir bieten viele Möglichkeiten für Engagement – sei es bei Freizeitangeboten, Begleitung von Reisen oder der Unterstützung im Alltag. Gerade junge Menschen können hier wertvolle Erfahrungen sammeln“, sagt Hinz. Im Bereich Fundraising soll eine neue Stelle geschaffen werden, die Drittmittel für Projekte einwirbt. Neben klassischen Spendenkampagnen sollen auch Kooperationen mit regionalen Unternehmen und Stiftungen intensiviert werden. So sollen langfristig mehr finanzielle Ressourcen für neue Projekte zur Verfügung stehen. Kooperationen mit großen Firmen wie REWE oder John Deere haben bereits positive Ergebnisse erzielt und sollen ausgeweitet werden.
Die Lebenshilfe Wiesloch steht vor großen Aufgaben. Neben der geplanten Erweiterung der Werkstatt sollen durch eine neue Fundraising-Stelle Drittmittel für Projekte akquiriert werden. Kooperationen mit Unternehmen und Bildungsinstitutionen sollen gestärkt werden, um langfristig Fachkräfte zu gewinnen und die Inklusion in allen Lebensbereichen zu verbessern. Zusätzlich soll der Bereich Frühförderung ausgebaut werden, um Kindern mit Unterstützungsbedarf bereits vor dem Schuleintritt bestmöglich zu helfen. „Der Bedarf an Frühförderung ist enorm gestiegen. Wir wollen hier aktiv auf Familien zugehen und passgenaue Angebote schaffen“, so Schloz. Ein weiteres zentrales Ziel ist die Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben. „Inklusion darf kein Schlagwort bleiben. Es geht darum, echte Begegnungen zu schaffen – in der Nachbarschaft, im Sportverein, im Arbeitsleben. Dafür setzen wir uns ein“, betont Hinz. Die Zusammenarbeit mit Sportvereinen und kulturellen Einrichtungen wird ebenfalls verstärkt. Beispielsweise bestehen Kooperationen mit Fußballvereinen, in denen inklusive Teams aufgebaut wurden. „Unsere Klienten wollen ganz normal an Aktivitäten teilnehmen. Sport ist ein wichtiger Bereich, in dem Inklusion gelebt werden kann“, so Hinz.
Auch für Firmen soll es in Zukunft mehr Möglichkeiten geben, sich aktiv einzubringen. „Wir planen, Social Days für Unternehmen anzubieten, bei denen Mitarbeitende einen Tag lang in unseren Einrichtungen mitarbeiten können. Das stärkt das Bewusstsein für Inklusion und fördert neue Kontakte“, so Schloz abschließend. Zur Lebenshilfe zählen die Sonderpädagogische Beratungsstelle mit Frühförderung, der Kindergarten Morgentau, das Oswald-Nussbaum-Kinderhaus, die Tom-Mutters-Schule, die Kurpfalz-Werkstatt, das Café Kanapee, der Wohnstättenverbund sowie die Offenen Hilfen. Zudem feierte die Schule in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. (dj)