Auf dieses Foto hat sich NABU-Ornithologe Daniel Schmidt-Rothmund lange gefreut: „Sie brüten wieder. Es ist der Wahnsinn, ich bin froh und dankbar, dass das Fischadler-Weibchen Chronos und ihr Gatte wohlbehalten zurück am Nest in Baden-Württemberg sind. Chronos liegt nun ausdauernd flach im Nest, ein sicheres Zeichen für das erste Ei. Jetzt hoffen wir jeden Tag auf ein Foto, das zeigt, wie viele Eier im Horst liegen“, erklärt der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen. Sollte die Brut erneut erfolgreich sein, wäre es erst die zweite in Baden-Württemberg seit mehr als 115 Jahren.
Das Rastatter Paar hat 2023 erstmals zwei Küken erfolgreich aufgezogen. Baden-Württembergs einzige Fischadler-Familie war im September zum Langstreckenflug gen Süden aufgebrochen, das Männchen kehrte am 21. März 2024 als Erstes zum Horst zurück und richtete diesen her, das Weibchen folgte acht Tage später. Bei ihrem gut und gerne 5.000 Kilometer langen Rückflug überqueren sie die Sahara, das Mittelmeer und die Pyrenäen und sind dabei vielen Gefahren ausgesetzt, wie Wilderern, Unwettern oder Plastikmüll, indem sie sich verfangen können. Am oberrheinischen Brutplatz gilt jetzt umso mehr: Daumen drücken und hoffen, dass alles gut geht und die Fischadler-Jungen Mitte Mai schlüpfen.
Die Jungvögel vom letzten Jahr, Balbü und Kju, vagabundieren noch zwei bis drei Jahre umher, bevor sie sesshaft werden. Dann stehen die Chancen gut, dass sich das junge Männchen Kju in der Nähe seines Geburtsortes am Oberrhein ansiedelt, denn Fischadler sind heimattreu und nisten gerne in der Nähe anderer Paare ihrer Art. Zur Wahl stehen dort mehrere weitere Plattformen auf hohen Bäumen.
Die künstliche Nisthilfe bei Rastatt hatte NABU-Ornithologe Schmidt-Rothmund erst vor drei Jahren in der badischen Oberrheinebene montiert: „Offenbar ist dieser Standort ein echter Glücksgriff. Fischadler sind wählerisch, sie lieben Wälder mit einzelnen, alles überragenden Baumriesen. Doch die sind selten. Von hoch oben können sie alles überblicken und Nesträuber rechtzeitig erspähen.“ Dass ein solcher Baumriese gefunden wurde, das Fischadler-Paar den Platz entdeckt und akzeptiert hat, war kein Zufall: Mehr als 30 Fischadler-Plattformen hat Schmidt-Rothmund bereits auf hohen Bäumen im Land installiert, Nistmaterial hochgeschafft und die Standorte regelmäßig besucht – mit Hilfe eines großen Netzes aus Ehrenamtlichen sowie vogelbegeisterten Spenderinnen und Spendern und mit Unterstützung von Forst BW, Gemeinden und Privatwaldbesitzenden, die ihre Flächen zur Verfügung stellen.
Eine kleine Sensation in der baden-württembergischen Vogelwelt: Am 23. Juni 2023 hat der NABU im Landkreis Rastatt zwei junge Fischadler beringt. Seit 1907 ist das die erste nachweislich erfolgreiche Brut der imposanten Greifvögel im Südwesten. „Die Spannung war groß, wir wussten nicht, wie viele Jungvögel uns oben im Horst erwarten. Umso größer ist die Erleichterung darüber, dass sich Balbü und Kju bester Gesundheit erfreuen“, berichtet Daniel Schmidt-Rothmund. Der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums setzt sich seit Jahrzehnten für die Rückkehr der Greifvögel ein.
Seit 33 Jahren arbeitet der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums Mössingen auf diesen Tag hin. Jetzt endlich stellt sich der ersehnte Erfolg ein, auf einer künstlichen Nisthilfe, die er vor zwei Jahren in der badischen Oberrheinebene im Kreis Rastatt montiert hatte. „Fischadler lieben Wälder mit einzelnen, alles überragenden Baumriesen, auf denen sie wie der König in ihrem Nest sitzen und den gesamten Wald überblicken können. Dazu geeignete Bäume sind ebenso selten wie Fischadler – zusammen sind sie ein Dreamteam“, sagt Schmidt-Rothmund.
Das erste Ei lag am 15. April im Nest der Fischadlereltern. Das Männchen ist neun Jahre alt und aus Sachsen-Anhalt in den Südwesten gezogen, wie seine Fußringe verraten. Auch das Weibchen ist beringt, ihre Herkunft bisher aber noch unbekannt. Für die beiden ist es bereits das dritte Brutjahr.
Nachdem die Nachkömmlinge geschlüpft sind, war es nun so weit. Profi-Kletterer Georg Bürk holt die Jungvögel unter Anleitung von Schmidt-Rothmund aus ihrem Nest in luftigen 25 Metern Höhe und lässt sie vorsichtig in einem Sack an einem Seil herunter. Dabei fallen die knapp fünf Wochen alten Adler in eine natürliche Schreckstarre. Die Elterntiere sind aufgeflogen, kreisen über dem Horstbaum und beobachten aufmerksam das Procedere. Dabei stoßen sie aufgeregte Warnrufe aus. „Diese charakteristischen Rufe haben eine beruhigende Wirkung auf den Nachwuchs“, erklärt Schmidt-Rothmund.
Am Waldboden nimmt der Ornithologe die Jungvögel behutsam in Empfang. Als erstes steht der Gesundheitscheck auf dem Programm: untersuchen, wiegen und vermessen. „Wir haben hier ein 1.458 Gramm schweres Weibchen und ein 1.178 Gramm schweres Männchen – sehr guter Durchschnitt für die Altersklasse“, erklärt der NABU-Fachmann.
Anschließend werden die Jungadler doppelt beringt, mit je einem etwa fünf Gramm leichten Ring an jedem Bein. Damit kann man sie eindeutig identifizieren. Mit der Beringung erhalten die kleinen Fischadler ihre Namen: „Balbü ist eine Kurzform des französischen Worts für Fischadler, Balbuzard. Kju nimmt Bezug auf den charakteristischen ‚kju-kju-kju‘-Warnruf“, so Schmidt-Rothmund.
Das gefiederte Glück am Oberrhein geht weiter: Am 20. Juni 2024 hat der NABU weitere drei junge Fischadler im Landkreis Rastatt beringt. Es ist die zweite Brut in Baden-Württemberg, seit die Greifvögel 1907 hierzulande ausgerottet wurden. Mit diesem Nachwuchs steigt die Chance, dass Fischadler wieder vermehrt und langfristig im Südwesten heimisch werden.
Nach wenigen Minuten geht es mit dem Seillift wieder sicher nach oben. Kletterer Bürk setzt die beiden Jungadler wohlbehalten in ihrer Kinderstube über den Baumwipfeln mit Rundblick ab. Im Horst, den Schmidt-Rothmund vor zwei Jahren dort im Landkreis Rastatt installiert hatte, kehrt binnen weniger Minuten wieder Familien-Normalität ein. In rund drei Wochen, etwa Mitte Juli, werden Balbü und Kju ihre ersten Flugübungen machen. Im August verlassen sie die badische Oberrheinebene und legen rund 5.000 Kilometer bis ins westliche Afrika zurück, wo sie überwintern.
In ganz Deutschland wird der Fischadlernachwuchs beobachtet und beringt. Ziel ist es, ein umfassendes Bild von Population und Bestandsentwicklung zu gewinnen. Der eine Ring trägt eine kleine individuelle Nummer, wie im Personalausweis, der andere einen großen alphanumerischen Code, ähnlich einem Autokennzeichen, den man auch aus der Entfernung erkennen kann. Die Ringnummern sind in einer Datenbank hinterlegt. Mit ihnen lassen sich die Fischadler eindeutig identifizieren. Mittels Spektiv oder Teleobjektiv kann man die Codes aus bis zu 250 Metern Entfernung ablesen. Eindeutige Ringablesungen können hier oder bei der Beringungszentrale Hiddensee gemeldet werden. Die gemeldeten Beobachtungen liefern wichtige Informationen über Überlebensrate, Wanderwege oder die Erschließung neuer Lebensräume. Letztlich dienen die Forschungsergebnisse einem besseren Schutz der Adler.
Entdeckt hatte Schmidt-Rothmund die Brut im Frühjahr. „Das Männchen hat dem am Nestrand stehenden Weibchen einen Fisch gebracht, den das Weibchen an den Nachwuchs verteilt hat, das erkennt man eindeutig an den charakteristischen Kopfbewegungen“, berichtet der Leiter des NABU-Vogelschutzzentrums. „Danach ist die frisch gebackene Vogelmutter wieder nah an ihre Küken herangerückt und hat die Flügel ganz typisch etwas hängen lassen, um für Schatten zu sorgen.“ Der Ornithologe hat das aus rund 300 Metern Entfernung vom Boden aus durchs Spektiv beobachtet, um die Vogelfamilie mit den erst wenige Tage alten Jungvögeln keinesfalls zu stören. Nachdem die Wildkamera keine Bilder mehr geliefert hatte, war unklar gewesen, ob aus den rötlich-braunen Eiern tatsächlich Küken geschlüpft sind. Entsprechend groß ist Schmidt-Rothmunds Erleichterung.
Damit solch eine Brut bei Fischadlern gelingt, müssen drei Faktoren zusammenspielen: Möglichst trockenes und warmes Wetter, 20 bis 25 Grad Celsius sind ideal, damit es im Nest nicht zu feucht wird. Zweitens müssen Habichte und Uhus das Nest verschonen. Und drittens müsse man immer hoffen, dass das Männchen keinen Unfall habe, so Schmidt-Rothmund. „Die Rollenverteilung ist klassisch, das Weibchen bleibt nahezu durchgehend am Nest und das Männchen schafft Nahrung herbei.“ Fischadler können nicht tauchen, sie nehmen den Kopf zwischen die Füße, strecken die Flügel nach hinten und erbeuten so Fische, die maximal einen Meter unter der Wasseroberfläche schwimmen. Auf ihrem Speiseplan stehen meistens Brachsen oder andere Weißfische, die erbeuteten Fische sind durchschnittlich rund 300 Gramm schwer.