„Eine Erkrankung, die schwer zu definieren, schwer zu behandeln und schwer zu erklären ist.“ So prägte der US-amerikanische Chirurg Dr. Codman 1934 den Begriff der Frozen Shoulder, auch Schultersteife genannt.
Es handelt sich um eine Erkrankung des Schultergelenks, welche sich in der Anfangsphase durch starke Schulterschmerzen und im weiteren Verlauf durch einen schleichenden Verlust der aktiven und passiven Beweglichkeit äußert. Es wird zwischen der primären und sekundären Schultersteife unterschieden. Während bei der primären Schultersteife keine Ursache bekannt ist, können bei der sekundären Schultersteife Begleiterkrankungen, wie Diabetes Mellitus, oder vorhergehende Verletzungen und Operationen als mögliche Ursachen festgestellt werden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über die Symptome, den Krankheitsverlauf und mögliche Therapiemaßnahmen der primären Schultersteife.
Von der primären Schultersteife sind etwa 2 bis 5 Prozent der Bevölkerung betroffen. Bei Patienten mit Schulterbeschwerden liegt die Zahl bei rund 5 Prozent. Die Betroffenen sind vorwiegend zwischen 40 und 60 Jahre alt. Dabei leiden Frauen um das 1,5-fache häufiger unter der Krankheit als Männer. Sie ist eine Erkrankung, bei der man aufgrund ihrer vielen Unbekannten und des langen Heilungsverlaufs viel Geduld mitbringen muss.
Zwar kann wissenschaftlich noch nicht belegt werden, wie es zur Frozen Shoulder kommt, histologische (gewebsuntersuchende) Studien deuten jedoch darauf hin, dass wiederholte Gelenkkapselentzündungen in der Schulter zu einer Schrumpfung und Vernarbung der Kapsel führen. Charakteristischerweise tritt eine Bewegungseinschränkung der Schulter meist zunächst in der Außenrotation auf, später auch in der Flexion (Anheben des Arms nach vorne), Abduktion (Abspreizen nach außen) und Innenrotation. Ein zunehmender Schmerz resultiert in einer zunehmenden Steifheit der Schulter, welche wiederum zu einer Bewegungseinschränkung führt.
Die Diagnose einer Frozen Shoulder wird in der Regel von einem Facharzt für Orthopädie gestellt. Dabei werden in einer gründlichen Anamnese, einer körperlichen Untersuchung und eventuellen bildgebenden Verfahren, wie einem Röntgenbild oder MRT, Hinweise gesammelt, welche für eine Frozen Shoulder sprechen könnten. Da sie Ähnlichkeiten zu anderen gängigen Schultererkrankungen aufweist, ist die Diagnose häufig nicht sofort eindeutig.
Der Krankheitsverlauf der Frozen Shoulder wird von manchen Autoren in verschiedene Phasen eingeteilt, obwohl er individuell variieren kann. Ein typischer Ablauf umfasst jedoch normalerweise drei Phasen:
Freezing-Phase: In dieser Phase treten zunehmende Schmerzen auf – zuerst bei Bewegung und später auch in Ruhe. Die Beweglichkeit der Schulter nimmt ab. Diese Phase dauert normalerweise 2 bis 10 Monate.
Frozen-Phase: Hier stehen die Steifigkeit und Bewegungseinschränkung im Vordergrund, während die Schmerzen abnehmen. Diese Phase dauert typischerweise 3 bis 12 Monate.
Thawing-Phase: In dieser Phase verbessert sich die aktive und passive Beweglichkeit allmählich, und die Schmerzen nehmen weiter ab. Diese Phase kann 5 bis 24 Monate dauern.
Die Frozen Shoulder wird oft als selbstlimitierende Erkrankung betrachtet, bedeutet, dass man sie ohne äußere Einflüsse heilen kann. Allerdings kann der Genesungsprozess der Gelenkkapsel hin zu normalen Kollagen- und Bindegewebseigenschaften in einigen Fällen Jahre andauern – durchschnittlich 18 Monate. Studien zeigen, dass sich nach 3 Jahren in 98 Prozent der Fälle die Frozen Shoulder spontan geheilt hat. Etwa 30 Prozent der Frozen Shoulder Patienten behalten jedoch eine leicht schmerzhafte und eingeschränkte Schulter. Durch Begleiterkrankungen wie Diabetes Mellitus zieht sich der Heilungsverlauf deutlich länger.
Aus physiotherapeutischer Sicht gibt es – je nach Phase, in der sich der Patient befindet – unterschiedliche Therapiemöglichkeiten. Sobald die Schmerzen nachlassen, kann man mit bewegungserweiternden Maßnahmen beginnen. Hierfür werden zum Beispiel Dehnübungen verwendet (Abb. 1 bis 4), welche in den verschiedenen Ausgangslagen die drei Hauptbewegungsebenen (Anheben des Armes nach vorne, Anheben zur Seite und Rotation) anspricht und so die Kapsel der Schulter auf unterschiedliche Art dehnt. Neben der Dehnung können auch dreidimensionale Bewegungen helfen, um die Schulter im Alltag wieder besser einsetzen zu können. So ist die Übung mit dem Seilzug (Abb. 5 und 6) eine effektive Möglichkeit, die Bewegung wieder zu erlernen und später die Muskulatur durch entsprechendes Gewicht zu stärken. Neben der Bewegungstherapie darf das Informieren und Erklären aber nicht zu kurz kommen, um eventuelle genesungshemmende Faktoren, wie Bewegungsvermeidung, zu beseitigen und den Patienten über die Erkrankung aufzuklären.
Zusammenfassend ist die Frozen Shoulder eine komplexe Schultererkrankung mit schmerzhaften Bewegungseinschränken. Der genaue Krankheitsvorgang ist noch nicht vollständig verstanden, aber bestimmte Risikofaktoren, wie Diabetes und das weibliche Geschlecht ab dem 40. Lebensjahr, sind bekannt. Für einen optimalen Heilungsverlauf ist es wichtig zur richtigen Zeit richtig zu handeln. Hierbei sind die kompetente Beratung, Behandlung und Begleitung durch Physiotherapeut/-innen äußerst sinnvoll. Obwohl die Erkrankung in den meisten Fällen folgenlos ausheilt, heißt es dennoch: Betroffene mit einer Frozen Shoulder brauchen viel Geduld.