Trauer & Abschied

Hilfe für die Angehörigen nach einem Mord

Wenn ein Mensch gewaltsam genommen wird, bleibt Schmerz und Sprachlosigkeit. Dieser Text hilft dir, erste Schritte nicht allein gehen zu müssen.
Mord hinterlässt Leere – und Fragen, die nie beantwortet werden.
Mord hinterlässt Leere – und Fragen, die nie beantwortet werden.Foto: Erstellt mit KI

Wenn ein Mensch, den du liebst, auf gewaltsame Weise stirbt, bricht etwas. In dir. Um dich herum. Vielleicht suchst du gerade nach Worten, nach Halt oder nach Antworten. Vielleicht suchst du einfach nur einen Ort, an dem jemand sagt: Du musst das nicht allein tragen.

Dieser Ratgeber ist für dich. Geschrieben von einer stillen Begleitung. Nicht, um etwas zu erklären. Sondern um dich zu begleiten. Klar, sanft, und mit Achtung vor allem, was du jetzt fühlst.

Der Moment des Schocks: Wenn die Welt stillsteht

Wenn du von einem Mord erfährst, ist das wie ein Riss durch die Wirklichkeit. Alles kann unwirklich werden. Du musst in diesem Moment nichts „richtig“ machen. Es gibt kein falsches Fühlen.

Was jetzt wichtig ist:

  • Du darfst in Schock sein. Auch still. Auch laut.
  • Versuche, jemanden zu informieren, dem du vertraust. Du musst nichts allein klären.
  • Wenn du nächster Angehöriger bist, wird die Polizei Kontakt mit dir aufnehmen. Nimm dir Zeit. Nimm dir Hilfe dazu.

Erste Schritte nach einem Mord

Es ist schwer, an „Organisatorisches“ zu denken. Trotzdem gibt es Dinge, die jetzt geklärt werden müssen – in kleinen Schritten.

Was warten darf:

  • Die Todesanzeige
  • Gespräche mit Medien
  • Planung der Trauerfeier

Was hilfreich sein kann:

  • Eine Vertrauensperson für Gespräche mit Polizei oder Presse benennen
  • Atmen. Trinken. Ruhen. Dein Körper braucht Schutz
  • Erste Information: Opferhilfe (zum Beispiel Weisser Ring) kann sofort unterstützen

Was auf dich zukommen kann:

  • Die Polizei wird dich möglicherweise mehrmals befragen. Diese Gespräche können emotional sehr belastend sein.
    Du darfst eine Begleitung zu den Terminen mitnehmen.
  • Es kann sein, dass Gegenstände des Verstorbenen als Beweismittel beschlagnahmt werden.
    Du hast ein Recht auf Informationen über das Verfahren.
  • Ein Ermittlungsverfahren wird eingeleitet. Es kann Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern. Das ist zermürbend.
  • Du wirst eventuell als Zeuge geladen. Das kann sehr herausfordernd sein.
    Eine psychosoziale Prozessbegleitung kann dir helfen, durch diese Zeit zu kommen.

Was dir helfen kann, durchzuhalten:

  • Führe ein Trauertagebuch. Nicht nur über Gefühle, sondern auch über Termine, Aussagen, Fragen.
  • Bitte eine vertraute Person, dich bei der Kommunikation mit Polizei oder Justiz zu unterstützen.
  • Nimm dir Pausen. Du darfst nicht alles auf einmal verarbeiten.
  • Frage nach Opferschutzbeauftragten – sie können dich durch das Verfahren begleiten.

Du musst das Verfahren nicht verstehen. Du musst es auch nicht „aushalten“. Aber du darfst Wege finden, dich darin nicht zu verlieren.

Wenn Trauer keine Worte findet

Trauer nach einem Mord ist keine stille Trauer. Sie ist laut, wirr, zerrissen. Vielleicht fühlst du Wut. Oder Angst. Vielleicht spürst du Schuld, obwohl du nichts hättest tun können. Vielleicht fühlst du gar nichts.

Das ist alles normal. Wirklich.

Erfahrungen von Betroffenen:

  • „Ich wollte nur schreien.“
  • „Ich habe wochenlang nichts gefühlt.“
  • „Ich konnte niemanden an mich ranlassen.“

Trauer ist Liebe, für die es keinen Ort mehr gibt. Und du darfst ihr Raum geben, wie du kannst.

Wohin mit der Wut?

Mord verletzt nicht nur den Körper des Menschen, der gegangen ist. Er verletzt auch die Seelen der Zurückbleibenden. Viele Betroffene berichten von einer Wut, die kaum auszuhalten ist. Auf den Täter. Auf Gott. Auf die Welt.

Du darfst wütend sein. Auch auf dich. Auch auf den Menschen, der gestorben ist. Wut ist Teil des Schmerzes. Und: Sie ist nicht gefährlich. Sie darf da sein.

Vielleicht spürst du sie plötzlich, mitten in der Nacht. Oder wenn andere versuchen, „vernünftig“ zu reden. Vielleicht ist da der Wunsch, etwas kaputtzumachen. Zu schreien. Zu fliehen.

All das ist eine Reaktion auf das Unfassbare.

Was dir helfen kann:

  • Sprich mit jemandem, der dich nicht bewertet – Trauerbegleitung, Therapeuten oder eine Vertrauensperson
  • Schreib die Wut auf. Ohne Zensur. Ohne Absicht
  • Beweg dich. Geh raus. Schlage in ein Kissen. Lass sie durch deinen Körper fließen
  • Finde eine Sprache: für dich, für andere – vielleicht durch Kunst, Musik oder Schreiben

Wut ist oft eine Energie, die aus Ohnmacht entsteht. Wenn du ihr Raum gibst – in einem sicheren Rahmen – kann sie dich nicht zerstören. Sondern dich schützen. Und manchmal sogar tragen.

Wenn die Welt stillsteht.
Wenn die Welt stillsteht.Foto: Erstellt mit KI

Wenn Kinder betroffen sind

Wenn Kinder einen Menschen durch Mord verlieren, zerbricht etwas, das sie vielleicht noch nicht einmal ganz begreifen konnten: Vertrauen. Sicherheit. Orientierung.

Vielleicht willst du sie schützen – durch Schweigen, durch Ablenkung. Doch Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Und was sie sich selbst zusammenreimen, ist oft noch beängstigender als die Wahrheit.

Du musst nicht alles richtig machen. Aber du darfst ehrlich sein – kindgerecht, ruhig, ohne Details, aber ohne Lügen.

Was Kindern helfen kann:

  • Klare, einfache Worte:
    „Ein Mensch hat Papa getötet.“
    „Es war nicht deine Schuld.“
    „Du darfst traurig oder wütend sein.“
  • Tränen zulassen – deine und ihre. Kinder lernen durch dein Vorbild, dass Gefühle sein dürfen.
  • Fragen beantworten – auch wenn sie sich wiederholen. Kinder trauern in Kreisen.
  • Rituale anbieten: eine Kerze, ein Bild, ein kleiner Gedenkort – etwas, das Halt gibt.
  • Alltag, soweit es geht. Struktur schafft Sicherheit. Auch Spielen ist erlaubt.

Wenn du unsicher bist:
Es gibt spezialisierte Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche. Auch schulpsychologische Dienste, Kinderärzte oder Hospizdienste können erste Ansprechpartner sein.

Manche Kinder zeigen ihre Trauer nicht direkt – sondern durch Rückzug, Wutanfälle, Schlafprobleme oder Konzentrationsstörungen. Das ist kein „Fehlverhalten“, sondern ein Ausdruck ihres inneren Chaos.

Du musst das nicht allein halten. Du darfst dir Unterstützung holen – für dein Kind und für dich.

Deine Rechte als Hinterbliebener

Wenn ein Mensch durch ein Verbrechen stirbt, hast du Rechte. Sie können entlasten, stärken, stabilisieren:

Was dir zusteht:

  • Psychosoziale Prozessbegleitung (wird oft vom Staat bezahlt)
  • Opferentschädigung (OEG)
  • Kostenübernahme für Trauer- und Traumatherapie
  • Anwaltliche Beratung, ggf. als Nebenklage

Du musst nicht alles sofort klären. Aber du darfst wissen: Hilfe ist da.

Wie es weitergehen kann (nicht muss)

Vielleicht denkst du gerade: „Ich werde nie wieder normal leben.“ Vielleicht stimmt das auch. Vielleicht wird dein Leben ein anderes. Aber du wirst nicht immer so fühlen wie heute.

Viele Betroffene berichten:

  • „Ich habe einen neuen Umgang mit Erinnerungen gefunden.“
  • „Ich lebe weiter. Nicht weil ich muss. Sondern weil ich kann.“

Es wird Tage geben, an denen du nicht aufstehen kannst. Und andere, an denen du zum ersten Mal wieder lachst – vielleicht mit Schuldgefühl, vielleicht mit Erleichterung. Alles darf sein.

Du darfst deinen eigenen Weg finden. Langsam. In Kurven. Mit Rückschritten. Du musst kein Ziel erreichen. Nur weiteratmen.

Vielleicht wird der Schmerz nie ganz verschwinden. Aber er kann weicher werden. Er darf einen Platz bekommen, ohne dein ganzes Leben zu füllen.

Was dir helfen kann:

  • Menschen, die dich nicht drängen, aber bleiben
  • Ein Ort, an dem Erinnerungen leben dürfen – ein Bild, ein Buch, ein Baum
  • Schreiben. Sprechen. Schweigen. Wieder sprechen.
  • Ein erster Schritt in ein neues Kapitel, wenn du bereit bist – nicht vorher

Du bist nicht verpflichtet, zu heilen. Nur zu leben. In deinem Tempo.

Hilfe, wenn du nicht mehr kannst

Es kann sein, dass du das alles nicht aushalten willst. Dass es zu viel wird. Dann ist das kein Versagen. Es ist ein Zeichen: Du brauchst mehr Halt.

Diese Stellen können dir helfen:

  • Trauerbegleiter
  • Psychotherapeuten mit Trauma-Erfahrung
  • Opferhilfe-Organisationen
  • Hausärzte, wenn der Körper streikt

Du musst das nicht allein schaffen. Und du darfst Hilfe annehmen.

Zum Schluss: Ein leiser Blick nach vorn

Du liest noch? Dann bist du noch da. Und das ist alles, was zählt.

Vielleicht ist heute der Tag, an dem du nichts tust. Oder der, an dem du sprichst. Oder schreibst. Oder still weinst.

Was auch immer es ist: Es ist richtig.

Wenn du magst, begleiten wir dich weiter. Still. Schritt für Schritt.

Du bist nicht allein.

Und wenn der nächste Morgen kommt – sei er grau oder hell – darfst du wissen: Es gibt keine Pflicht, stark zu sein. Aber es gibt Menschen, die dich halten, wenn du schwach bist. Räume, in denen du atmen darfst. Wege, die du nicht allein gehen musst.

Es wird nicht wieder wie früher. Aber vielleicht anders. Mit Zeit. Mit Atem. Mit der Erinnerung, die bleibt – und der Hoffnung, die wachsen darf.

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von red/kw
11.04.2025
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