Trauer & Abschied

Hilfe nach Suizid: Wie du ein Kind gut begleiten kannst

Wenn ein geliebter Mensch sich das Leben nimmt – und ein Kind zurückbleibt. Wie du ehrlich, behutsam und stark an der Seite bleibst, erfährst du hier.
Trauerbegleitung nach Suizid: Kindern Halt geben, wenn die Welt aus den Fugen gerät.
Trauerbegleitung nach Suizid: Kindern Halt geben, wenn die Welt aus den Fugen gerät.Foto: Erstellt mit KI

Es gibt Momente, für die es keine Worte gibt. Und doch müssen wir sprechen.

Wenn ein geliebter Mensch sich das Leben nimmt, bleibt etwas zurück, das sich nicht in Worte fassen lässt:
Fragen. Schmerz. Sprachlosigkeit.
Und mittendrin: ein Kind.

Ein Kind, das spürt, dass etwas nicht stimmt.
Ein Kind, das fragt. Oder verstummt.
Ein Kind, das oft denkt: „Ich bin schuld.“

Wenn du gerade in dieser Situation bist, möchte dieser Text dir etwas geben:
Klarheit.
Worte, wo dir die Sprache fehlt.
Halt – damit du Halt geben kannst.

Das Wichtigste zuerst – in aller Klarheit

  • Sprich mit dem Kind. Bald. Nicht irgendwann.
  • Sag, dass es Suizid war – in einer Sprache, die das Kind versteht.
  • Sag: „Du bist nicht schuld.“ Das ist der wichtigste Satz überhaupt.
  • Lüge nicht – aber überfordere nicht.
  • Erlaube jedes Gefühl. Auch Wut. Auch Stille.
  • Du brauchst nicht perfekt zu sein – du musst nur bleiben.

Warum du mit dem Kind reden musst – auch wenn dir selbst die Worte fehlen

Kinder spüren, wenn etwas nicht stimmt. Auch wenn sie noch klein sind.
Wenn du nicht mit ihnen sprichst, füllen sie die Lücken selbst – mit Fantasie, Schuld, Angst.

Schweigen schützt nicht. Es verunsichert.

Sag zum Beispiel:
„Ich möchte mit dir über etwas sehr Trauriges sprechen. Es ist schwer, aber du darfst alles fragen. Ich bin hier.“

Was Suizid wirklich ist – und was ein Kind wissen sollte

Ein Suizid ist kein einfacher Tod. Und doch: Ein Kind darf wissen, dass er passiert ist.

Sag nicht:
„Er ist eingeschlafen.“
„Sie ist gegangen.“

Sag ehrlich:
„Er ist gestorben.“
„Sie hat sich selbst das Leben genommen. Man nennt das Suizid. Das ist, wenn jemand so krank in seiner Seele ist, dass er keinen anderen Ausweg mehr sieht.“

Erkläre, dass das die Folge einer schlimmen Krankheit war.

Kinder müssen nicht alles verstehen – aber sie brauchen eine ehrliche, kindgerechte Erklärung.

Der wichtigste Satz, den du sagen musst – und immer wieder

„Du bist nicht schuld.“

Kinder beziehen alles auf sich. Sie denken:
„Ich war böse.“
„Ich habe ihn geärgert.“
„Ich habe nicht genug geliebt.“

Zerschlage diese Gedanken. Sofort. Wiederholt.
„Du bist nicht schuld. Auch nicht ein bisschen. Diese Krankheit war stärker als alles andere. Aber sie hatte nichts mit dir zu tun.“

Erkläre, dass es eine Krankheit war – keine Entscheidung gegen das Kind

Kinder denken oft: „Er wollte nicht mehr bei mir sein.“

Das tut weh. Und es stimmt nicht.

„Er war krank. Nicht am Körper, sondern in seiner Seele. Diese Krankheit hat ihm gesagt, dass nichts mehr hilft. Aber es gab Wege. Er konnte sie nur nicht mehr sehen.“

Kinder fragen anders – aber immer ehrlich

Manche fragen direkt: „Wie hat er sich umgebracht?“
Manche gar nicht. Manche spielen einfach weiter.

Was du antwortest, hängt vom Alter ab – aber bewahre immer dieselbe Haltung:
Du nimmst jede Frage ernst. Und du darfst sagen, wenn du selbst nicht alles weißt.

„Das ist eine schwere Frage. Ich erzähle dir so viel, wie du wissen willst. Du darfst jederzeit sagen: Jetzt reicht es.“

Wenn das Kind schweigt – bleib trotzdem da

Nicht jedes Kind reagiert sofort. Das ist okay.
Wichtig ist: Das Kind spürt, dass es dich hat. Und dass Reden erlaubt ist – jetzt oder später.

„Wenn du irgendwann reden willst – ich bin da. Auch wenn es morgen ist oder in einem Jahr.“

Lass Gefühle zu – auch Wut

Kinder dürfen traurig sein.
Sie dürfen wütend sein – auch auf den Verstorbenen.
Sie dürfen erleichtert sein – wenn das Leiden vorbei ist.
Alles ist erlaubt. Nichts ist falsch.

„Du darfst wütend sein. Du darfst traurig sein. Du darfst alles fühlen, was gerade da ist.“

Wut ist keine Störung – sie ist ein Teil der Trauer

Wenn ein Mensch sich das Leben nimmt, bleibt etwas zurück, das schwer auszuhalten ist – besonders für Kinder:
Eine Mischung aus Traurigkeit, Verlassenheit und oft auch: Wut.

Viele Kinder trauen sich nicht, sie zu zeigen. Oder sie denken: „Ich darf das nicht. Ich müsste doch traurig sein.“
Und doch ist sie da:

  • „Warum hat er mich allein gelassen?“
  • „Warum hat sie uns das angetan?“
  • „Ich hasse ihn dafür, dass er gegangen ist.“

Das ist normal. Das ist gesund. Das ist erlaubt.
Denn Wut ist kein Zeichen von Herzlosigkeit. Wut ist ein Schutzgefühl – sie gibt einem ohnmächtigen Kind ein Stück Kontrolle zurück.

Deine Aufgabe als Begleitung:
Nicht die Wut erklären, sondern sie aushalten.
Nicht „wegtrösten“, sondern sagen:
„Ja, das darfst du fühlen. Du darfst ihn lieben – und gleichzeitig wütend sein.“

Sag:
„Ich sehe, dass du wütend bist. Das darfst du sein.“
„Es ist okay, wenn sich das alles widersprüchlich anfühlt.“
„Worauf bist du gerade am meisten wütend? Was würdest du ihm sagen, wenn er hier wäre?“

Gib Raum für laute Gefühle – ohne sie zu bewerten.

Kinder, die Wut fühlen dürfen, trauern gesünder.
Kinder, deren Wut abgetan oder ignoriert wird, ziehen sie nach innen. Und das macht krank.

Gib der Wut ein Ventil – und dem Kind einen sicheren Raum

Wut will nicht „weg“ – sie will fließen.
Kinder brauchen Möglichkeiten, diese Energie auszudrücken – ohne andere (oder sich selbst) zu verletzen.

Deine Aufgabe ist nicht, die Wut zu bremsen – sondern sie sicher zu kanalisieren.

So kannst du bei Wut helfen:

  • Brief schreiben: Einen Wutbrief an den Verstorbenen – mit allem, was das Kind sagen will
  • Wut-Zeremonie: Etwas aufschreiben und gemeinsam zerreißen, verbrennen oder vergraben
  • Malen statt Reden: „Mal deine Wut – wie sieht sie aus?“
  • Bewegung: Boxsack, Kissen hauen, auf den Boden stampfen, in Kissen schreien
  • Symbolische Rituale: Ein „Wutstein“, der beschwert – und den man dann gemeinsam loslässt

Und ganz wichtig: Bleib beim Kind – auch im Sturm.

Sag:
„Ich bin bei dir, egal wie groß deine Wut wird.“
„Du darfst dich sicher fühlen – auch mit Gefühlen, die sich unsicher anfühlen.“
„Wut ist kein Zeichen, dass du ihn nicht geliebt hast. Sie zeigt, wie sehr du ihn vermisst.“

Rituale helfen – wenn Worte fehlen

Auch für Kinder, die keine Wut verspüren, sind Rituale hilfreich. Kleine Gesten können viel Halt geben.
Schlag dem Kind einfache, liebevolle Rituale vor:

  • Eine Kerze für den Verstorbenen
  • Ein Brief oder Bild
  • Ein Platz zum Erinnern
  • Ein Lieblingslied anhören
  • Gemeinsam schweigen

Rituale machen Raum für Gefühle – ohne zu überfordern.

Rituale, die Kinder in der Trauer begleiten

Du musst das nicht allein tragen

Auch du brauchst Halt. Und manchmal Hilfe.
Es ist keine Schwäche, zu sagen: „Ich schaff das nicht allein.“
Es ist Fürsorge – auch für das Kind.

Diese Stellen können helfen:

Weiterführende Hilfe – wenn du noch mehr brauchst

Manchmal helfen Worte. Manchmal braucht es konkrete Hinweise.
Hier findest du vertrauensvolle Stellen, wenn du ein Kind nach einem Suizid begleiten musst – oder selbst Halt suchst:

Wiederhole das Wesentliche – so oft wie nötig

Kinder trauern anders. Langsamer. In Etappen.
Was sie heute verstehen, müssen sie morgen vielleicht neu hören.

Darum:

„Du bist nicht schuld.“
„Er war krank.“
„Ich bin da.“
„Du darfst traurig sein.“
„Wir reden, wann du willst – oder schweigen.“

Zum Schluss – was dem Kind wirklich bleibt, bist du

Du brauchst keine perfekten Antworten.
Du brauchst kein Fachwissen.

Du brauchst nur Ehrlichkeit. Geduld. Und die Bereitschaft, ein Kind durch das Unfassbare zu begleiten.

Wenn du das tust – bist du genau richtig.

„Ich kann dir nicht alles erklären. Aber ich verspreche dir: Du musst da nicht allein durch.“

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von red/kw
09.04.2025

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