Gegründet wurde das Unternehmen 2013 von Stefan Neubig, der im Kreis Heilbronn aufwuchs. Durch eine Reise nach Kapstadt lernte er einen Glashersteller kennen, der einen Akku in Einmachgläsern verbaute. Mit Sonnenenergie aufgeladen, spendet die Lampe bis zu 24 Stunden Licht in dunklen Wellblechhütten, die in den Townships Afrikas meist ohne Strom auskommen müssen – und viel sicherer als Kerzen sind.
Im Interview spricht Neubig über die Entstehung des Unternehmens, die Produktion in Kapstadt und Billigimitate aus Asien.
LOKALMATADOR.DE (LM): Rufen Sie aus Deutschland, Südafrika oder Japan an?
Stefan Neubig: Aus Deutschland, gerade bei Abstatt. Ich bin zu Besuch bei meiner Mutter. Da komme ich her und hier haben wir Sonnenglas ursprünglich gegründet. Unternehmer war ich schon vorher, aber dass ich zu Sonnenglas kam, war trotzdem großer Zufall.
LM: Erzählen Sie mal …
Neubig: Nach der Doppelbelastung Studium und eigene Firma wollte ich etwas von der Welt sehen. Es sollte möglichst weit weg, jedoch in der gleichen Zeitzone sein, um mit dem Team in Deutschland kommunizieren zu können. Da war Kapstadt die offensichtlichste Lösung. Dort habe ich zufällig den Start des Projekts kennengelernt. Zu diesem Zeitpunkt gab es sehr viele Stromausfälle. Der Glashersteller vor Ort improvisierte und baute auf die eigenen Einmachgläser Solarlaternen drauf. Davon war ich so fasziniert, dass ich das unbedingt mit meinem Background als Unternehmer unterstützen wollte.
Dazu muss ich sagen, dass ich schon immer ein sehr ästhetisches Bewusstsein hatte und Fotografie studiert habe; mein anderer Studiumswunsch wäre Industriedesign gewesen. Irgendwas physisches zu machen, nachdem ich jahrelang ein digitales Produkt designt habe und Fotografie auch eine visuelle Kunst ist, das hat mich total fasziniert. Der Rest ist Geschichte.
LM: Wie ging es weiter?
Neubig: Wir haben im kleinen Stil angefangen und wollten keine billig produzierte Massenware in China herstellen lassen. Die Arbeitslosigkeit in Südafrika und die Armut in den Townships ist sehr hoch. Da kam mein Blickwinkel als nachhaltiger Konsument rein, der im Weltladen einkauft und das Prinzip von Fairtrade kannte. Der Gedanke: Die Schwäche, vor Ort zu produzieren, in eine Stärke umwandeln, indem wir ein Fairtrade-Produkt daraus machen und es mit den Menschen vor Ort weiterentwickeln, die es auch tatsächlich brauchen.
LM: Es begann 2013 mit zehn Mitarbeitern in der Produktion. Wie viele sind es heute?
Neubig: Jetzt sind es ungefähr 65, die in der Produktionshalle in Kapstadt mit festen Verträgen und Krankenversicherung arbeiten. Wir sind vom Weltladen-Dachverband offiziell anerkannt. Der Großteil der Leute kommt aus den Townships, die zum Teil keine Schulbildung erfahren durften und bei uns eine Perspektive erhalten haben. Durch den Erfolg des Produkts können wir uns das leisten und rückfinanzieren.
LM: Es folgte ein Standort in Japan. Wie kam es dazu?
Neubig: Das Produkt hat sich auch international, vor allem in Deutschland, erstaunlich gut verkauft – damit hatte keiner gerechnet. Deshalb haben wir jahrelang gebraucht, um diese Fabrik aufzubauen. Vor vier Jahren bin ich zum ersten Mal nach Japan gereist, weil wir von einem E-Commerce-Unternehmen eingeladen wurden, auch dort zu starten. 2019 haben wir dann den japanischen Good Design Award gewonnen. Auch in Japan kann durch Erdbeben der Strom ausfallen. Das Prinzip, Licht an Orte bringen, wo es keine Elektrizität gibt, zieht also auch hier. Das Schöne ist, dass das Produkt nicht an eine Katastrophe erinnert, sondern sehr schön aussieht und man es auch im Alltag verwenden kann. Ich glaube, das ist unser Erfolgsrezept.
LM: Wie erklären Sie sich den großen Absatz in Deutschland?
Neubig: Gute Frage (lacht). Ich glaube, dass wir die richtige Zeit getroffen haben. Nachhaltiges Konsumieren liegt absolut im positiven Trend. Immer mehr Verbraucher machen sich darüber Gedanken, was sie eigentlich kaufen, auch wenn es um ein Geschenk geht. Dann war es ein einmaliges Produkt, das man vorher so noch nicht kannte. Eine Lampe im Einmachglas ist einfach super praktisch, gleichzeitig auch dekorativ. Wir sind der erste Solarartikel, der sinnvoll ist und auch gut aussieht. Deshalb besteht der Großteil unserer Kunden mit über 60 Prozent auch aus Frauen.
LM: Wo kommen die verwendeten Materialen her?
Neubig: Wir versuchen, so viel es geht lokal zu produzieren. Das Glas und der Draht bestehen aus recyceltem Material. Die Elektronik müssen wir international beziehen; LEDs werden beispielsweise nur in Asien hergestellt.
LM: Von dort kommen mittlerweile auch nachgemachte Kopien, die günstiger sind …
Neubig: Ja, wir sind sehr dankbar, dass es viele nachhaltig denkende Konsumenten gibt, die unser Produkt bevorzugen und dadurch die Arbeitsplätze sichern.
LM: Gibt es kein Patent auf das Glas?
Neubig: Wir haben zwar die Markenrechte, aber kein Patent auf die Technik. Das wäre tatsächlich möglich gewesen, aber am Anfang hat niemand daran gedacht, dass das mal so erfolgreich wird. Das haben wir versäumt und sind da zu naiv drangegangen.
LM: Kommen die Gläser auch in den Townships an? Umgerechnet kostet es in Südafrika rund 12 Euro, nicht gerade wenig für die arme Bevölkerung.
Neubig: Ja, die Gläser werden tatsächlich vor Ort genutzt und sind erstmal nicht günstig. Kerzen oder Kerosin für Lampen sind erstmal billiger, aber über Monate hinweg wieder teurer. Unsere Lampe amortisiert sich auf Dauer selbst, aber natürlich denken viele nicht so weit. Das ist unser größtes Problem, an dem wir arbeiten. Die internationale Version des Glases unterscheidet sich auch von der südafrikanischen; sie hat einen USB-Anschluss für die dunklen Monate. So erklärt sich der Preisunterschied.
Sonnenglas-Gründer und Geschäftsführer Stefan Neubig ist 37 Jahre alt und stammt aus Abstatt. Während seines Studiums der Digitalen Medien mit Spezialisierung auf Film und Foto in Darmstadt gründete er mit einem Freund die Aboalarm GmbH, die bei Vertragskündigungen hilft.