Kultur

Interview mit dem Autor Frank Winter über "Badisch"

Frank Winter ist Autor des Buches "Badisch". Im Interview erzählt er mehr vom Dialekt.
Porträtfoto eines älteren Mannes
Frank Winter hat einen neuen Dialektband herausgebracht. Im Interview erzählt er mehr zur badischen Sprache.Foto: hjo

Frank Winter ist der Autor des Buches „Badisch. Vom Huschdegudsl, Babbedeggl und Debbichbatscher“. Die Redaktion von „Heimat Entdecken“ konnte mit ihm zum Thema Dialekt ins Gespräch kommen.

Heimat Entdecken (HE): Wie haben Sie entschieden, welche Begriffe oder Redewendungen ins Buch aufgenommen werden und welche nicht?

Frank Winter: Es gibt natürlich Redewendungen, die man häufiger hört, und andere, die seltener verwendet werden. Das war für mich das wichtigste Kriterium bei der Auswahl. Im zweiten Schritt habe ich dann Ausdrücke aufgenommen, die aus dialektaler Sicht besonders interessant, also lautmalerisch sind.

Und ganz ehrlich – ein Stück weit ist es natürlich auch eine persönliche Auswahl. Wenn jemand anderes dieses Buch geschrieben hätte, sähe die Auswahl vermutlich anders aus. Man muss halt eine Auswahl treffen, denn wie Sie gesehen haben, das Buch hat rund 120 Seiten. Der Platz ist begrenzt – was manchmal auch ganz gut ist.

HE: Was sind denn dialektale Begriffe, die für Sie besonders schön sind?

Winter: Was ich besonders schön finde, sind die Ausdrücke für kleinere „Wehwehchen“ sozusagen. Man sagt nicht „Magenschmerzen“, sondern „Magenweh“. Ebenso „Zahnweh“ statt „Zahnschmerzen“.

Interessant ist auch, dass man im Badischen nicht „Rücken, sondern „Kreiz“ sagt, also auch nicht „Rückenweh“, sondern „Kreizweh“. Ein besonders schönes Beispiel ist auch der Ausdruck „Ranzeblitze“ für Magenschmerzen. Das dürfte in ihrer Gegend [Rhein-Neckar-Kreis] auch verbreitet sein.

Im Buch ist auch ein Kapitel über Frankreich. Ich mag diese Kombinationen von französischen und badischen Wörtern, zum Beispiel „Gschdellaasch“. Das Wort für Gerümpel setzt sich aus „Gestell“ und dem französischen Lehnsuffix „-age“ zusammen.

Ein weiteres Beispiel ist „Debbich“ für eine etwas dickere Decke. In jedem Lebensbereich gibt es unzählige solcher Wörter, die mir wirklich am Herzen liegen.

HE: Welche Bedeutung hat Dialekt für die regionale Identität – speziell in Baden?

Winter: Es mag klischeehaft klingen, aber es ist tatsächlich die Wahrheit: Es ist halt ein Stück Heimatverbundenheit. Meine erste Sprache war der Dialekt, Hochdeutsch habe ich mir erst später beigebracht, als ich aufs Gymnasium in Karlsruhe gegangen bin. Und das voller Angst, denn bei uns im Dorf haben alle Dialekt gesprochen, auch die Verwandtschaft. In der Stadt habe ich dann aber festgestellt, dass die Leute dort, wie ich es im Buch genannt habe, oft eine Art „City-Badisch“ reden. Das ist auch kein Hochdeutsch, was dort gesprochen wird.

Manche Dinge kann man im Dialekt schöner ausdrücken, weil es einfach urigere Wörter gibt als im Hochdeutschen. Ein Beispiel: Die Petersilie heißt im Badischen „Pederling“.

Es gibt das verbreitete Klischee, der Dialekt sei etwas, was von niederen Schichten gesprochen wird. Das halte ich für Blödsinn, weil ein Dialekt ist – das kann man schon so sagen – eine eigene Sprache mit eigener Grammatik, eigener Syntax und eigenem Vokabular. Mir war wichtig, mit dem Buch klarzumachen, dass der Dialekt eine Bedeutung hat und es wichtig ist, dass er weitergesprochen wird.

Buchcover
„Badisch“ von Frank Winter ist erschienen im Duden-Verlag Berlin.Foto: repro hjo

HE: Was war die Motivation dahinter, eine gesprochene Sprache mit einem Wörterbuch, dann auch noch herausgegeben vom Duden-Verlag, zu verschriftlichen?

Winter: Ich wollte so ein Buch schon vor 30 Jahren machen. Da gab es aber noch keine Reihe zum Thema Dialekt, wie nun im renommierten Duden-Verlag. Ich wollte auch mehr als eine reine Wortsammlung: So etwas gab es in den letzten 20 Jahren häufig, gerade zum Badischen, meist in der Gegend Karlsruhe verortet. Ich wollte einen wissenschaftlichen Aspekt reinbringen und trotzdem, dass es unterhaltsam und verständlich bleibt.

Es klingt zwar wie eine Platitüde, aber so ein Buch bleibt. Es ist schön, wenn die Leute bei meinen Lesungen sagen: „Oh, das Wort, das hatte ich fast vergessen.“ Dann kommen aber auch Leute, die Hochdeutsch sprechen. Bei uns im Dorf zum Beispiel hatte ich eine Lesung, da hat jemand gemeint: „Ich habe nicht alles verstanden, Herr Winter, musste manchmal meine Nachbarin fragen.“ Also ja, den Dialekt in dieser Form festzuhalten, ist schon Arbeit, aber das macht nichts. Ich mache diese Arbeit sehr gerne.

HE: Wer ist für Sie die Zielgruppe des Buchs? Für wen haben Sie es geschrieben?

Winter: Natürlich für Leute, die den Dialekt sprechen. Bei jedem Kapital habe ich aber darauf geachtet, dass auch eine Zielgruppe, die Hochdeutsch spricht, also kein Badisch kann, es verstehen kann. Deswegen gibt es in der rechten Spalte immer die Übersetzung. Dialekt lernen kann man mit dem Buch alleine nicht, weil man jede Sprache auch sprechen muss; aber ich denke schon, dass es viele wichtige Anhaltspunkte gibt, für jemanden, kein Badisch kann.

Der Begriff „Gelbfüßler“ zum Beispiel – das war für mich auch neu – war ursprünglich auf die Schwaben gemünzt und wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf die Badener übertragen. Solch Wissenswertes floss genauso in das Buch ein wie Informationen über Persönlichkeiten wie Johann Peter Hebel oder Friedrich Hecker.

HE: Gab es während Ihrer Arbeit am Buch Begriffe oder Ausdrücke, die selbst für Sie neu oder überraschend waren?

Winter: Ja, Sie werden bemerkt haben: Ich habe zwei dialektale Verortungen. Insgesamt gibt es im badischen Raum vier bis fünf fränkische Spielarten des Dialekts und drei

alemannische. Meine erste Sprache war eine Spielart des Südfränkischen – konkret aus dem Raum Karlsruhe. Wenn ich von Verortung rede, meine ich die Beispiele, die ich in meinem Buch verwende. Die stammen aus dem Landkreis oder der Stadt Karlsruhe.

Meine zweite Verortung liegt im Hochalemannischen, genauer gesagt in der Region rund um den Kaiserstuhl. Da habe ich Freunde, mit denen ich sehr eng zusammengearbeitet habe. Da waren in der Tat auch ein paar Wörter dabei, die ich so nicht gekannt habe.

Was mich erstaunt hat: Die Unterschiede zwischen dem Fränkischen und dem Alemannischen, also dem Norden und dem Süden, sind manchmal gar nicht so groß, wie man annehmen würde. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: „Sehr hart“ heißt im Norden „boggelhart“ und am Kaiserstuhl sagt man „biggelhärt“.

Noch ein anderes schönes Wort: „gädrig“. Das bedeutet im Süden am Kaiserstuhl so viel wie „zäh“ oder „ungenießbar“, auf eine Person bezogen ein unleidlicher oder auch ein zäher, widerstandsfähiger Mensch. Also ja, es gibt sehr viele Worte, die mir neu waren.

HE: Inwiefern fließen Ihre Studienfächer – Germanistik, Soziologie, Philosophie – in Ihre Herangehensweise an das Thema Dialekt ein?

Winter: Das Buch ist thematisch aufgebaut – bewusst nicht wie ein klassisches Wörterbuch. Beim einen oder anderen Veranstalter hat das anfangs zu Missverständnissen geführt. Manche dachten wohl, ich wolle eine Lesung aus einem Wörterbuch halten, was natürlich nicht der Fall war. Mir war wichtig, eine gute Balance zu finden: Einerseits wollte ich zentrale sprachliche Aspekte behandeln, andererseits sollte das Buch lesbar, unterhaltsam und strukturiert sein.

Im Buch finden sich exemplarisch Kapitel zu Adjektiven, Substantiven und Verben, mit Worttabellen. Zudem hatte ich das Bedürfnis, über berühmte Badener zu schreiben, wie Johann Peter Hebel oder Friedrich Hecker. Und zuletzt noch ganz wichtige Sachen, die den Badenern, zumindest im Norden, am Herzen liegen, zum Beispiel die Unterscheidung zwischen „Badener“ und „Badenser“.

HE: Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Dialekte heute noch in einer zunehmend standardisierten und digitalen Welt – insbesondere für die jüngere Generation?

Winter: Früher bei uns im Dorf hat jeder Dialekt gesprochen; jetzt ziehen viele Menschen zu, etwa als Alterswohnsitz oder mit ihren Familien. Das ist auch wunderbar, da kommen frische Ideen in den Ort; aber neue Generationen – sogar in meiner Verwandtschaft – wachsen mitunter nicht mehr mit Dialekt auf.

Es gibt ja auch keine verbindlichen Verschriftungsregeln im Dialekt. Wenn junge Leute heute über WhatsApp oder andere Kanäle Nachrichten verschicken wollten, ist es schwierig, Dialekt zu verwenden – denn der wird bekannterweise gesprochen.

Ich hoffe, dass es – davon gehe ich auch optimistisch aus – immer einen stabilen Prozentsatz an Mitmenschen geben wird, die Dialekt sprechen.

HE: Gibt es bestimmte Begriffe im Badischen, die Ihrer Meinung nach unbedingt erhalten bleiben sollten, weil sie zum Beispiel unübersetzbar sind?

Winter: Drei davon sind schon im Titel drin. Erstens „Huschdegudsl“: Das ist ein Hustenbonbon, gleichzeitig aber auch die Bezeichnung für ein kleineres Fahrzeug, der Fiat 500 zum Beispiel, weil er klein ist und auch die Form eines „Gudsl“ hat. Was ich lautmalerisch absolut klasse finde, seitdem ich Badisch sprechen kann, ist „Babbedeggl“, ebenso der „Debbichbatscher“. Klar kann man das auch auf Hochdeutsch sagen, im Dialekt klingt es aber schöner.

HE: Könnten Sie sich vorstellen, das Projekt auf andere Dialekte auszuweiten – etwa auf Pfälzisch, Schwäbisch oder gar Hessisch?

Winter: Nein, das würde ich nicht machen, weil es nicht zu meinen Themengebieten Baden, Schottland sowie Essen und Trinken gehört.

Die Fragen stellte Justin Schick.

von Justin Schick
16.07.2025
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