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Mosten aus Leidenschaft: Flüssiges Gold aus dem Schönbuch

Jutta und Martin Skokan aus Schönaich hauchen einer alten Tradition neues Leben ein – und erhalten damit ein süddeutsches Kulturgut.
In der Region um Schönaich „im Streuobst-Paradies“ haben Jutta und Martin Skokan ihre Liebe zum Mosten entdeckt.
In der Region um Schönaich „im Streuobst-Paradies“ haben Jutta und Martin Skokan ihre Liebe zum Mosten entdeckt.Foto: Geisel

Eigentlich mochte Jutta Skokan gar keinen Most. Ihr Mann Martin schon – doch in der Region einen guten zu finden, der ihm schmeckt, sei schwierig. Die Tradition des Mostens werde einfach nicht mehr so intensiv gepflegt wie früher. So beschloss der Schönaicher, sich einfach etwas näher mit dem „guten Most“ und seiner Herstellung zu befassen. Mit ein paar unschuldigen Seminarbesuchen begann es, heute ist das Mosten für die beiden „vom aggressiven Hobby zum Nebenerwerb“ geworden, wie Martin Skokan lachend erzählt.

Aus Neugier wird Leidenschaft

Eine Verkostung bei einem solchen Seminar brachte auch Jutta Skokan auf den Geschmack des traditionsreichen Getränks. Hier und da ein Kurs, um dazuzulernen, der ein oder andere Baum für die eigene Apfelernte – eigentlich begann alles recht klein. Doch so wissbegierig und ehrgeizig wie die beiden sind, blieb es natürlich nicht dabei. In der Verwandtschaft hatten mehrere Personen Obst auf ihren Wiesen übrig. Auch eine eigene Wiese war schnell gefunden. Über Schnittkurse lernten die beiden fundierte Grundlagen und kamen schnell mit anderen ins Gespräch. Da war Martin und Jutta Skokan klar: Die Menschen, die ein solches Hobby pflegen, ticken doch irgendwie alle gleich. Und seitdem sie zu dieser Gemeinschaft dazu. 2020 absolvierte das Paar den Fachwirt für Obst und Garten beim LOGL (Landesverband für Obstbau, Garten und Landschaft). Seither verfeinern die beiden ihre Künste im Mosten jedes Jahr.

Jutta und Martin Skokan lassen sich ihren Most schmecken.
Jutta und Martin Skokan lassen sich ihren Most schmecken.Foto: Geisel

Kein Schmuddel-Image mehr

„Most hat manchmal noch einen schlechten Ruf“, weiß Martin Skokan. Früher habe man das Getränk zur Verwertung von Obst hergestellt und um das nicht immer ganz saubere Wasser trinkbar zu machen. Darum sei man auch nicht so wählerisch gewesen, was die Rohstoffe und den Alkoholgehalt angeht. Dabei sei beides ganz entscheidend für einen guten Most. „Wenn man ihn richtig herstellt, ist Most etwas Edles“, findet Martin Skokan. „Richtig“ ist hier ebenso simpel wie komplex. Das beweist der Einblick in die Ordner mit den Most-Protokollen, den Jutta und Martin Skokan uns gewährt haben.

Wie entsteht guter Most?

Für die Skokans liegt das Geheimnis in sorgfältiger Handarbeit, bei der die ganze Familie, Freunde und Bekannte mit anpacken und für die sich das Paar jedes Jahr zur herbstlichen Erntezeit Urlaub nimmt – nur, um zu mosten. „1-A-Ware ist der Anfang“, erklären die beiden. Nur vollreife, handverlesene Äpfel und Birnen schaffen es in den Skokan-Most. Auf ihren Wiesen wachsen verschiedene Sorten, die immer je nach Qualität und Verfügbarkeit geerntet werden. Es entsteht also jedes Jahr eine andere Most-Mischung. Äpfel und Birnen werden nach der Ernte sorgfältig gewaschen und so fein gehäckselt, dass es sich quasi schon um Mus handelt. So ist die Ausbeute deutlich besser.

Nur vollreife, handverlesene Äpfel und Birnen schaffen es in den Skokan-Most.
Nur vollreife, handverlesene Äpfel und Birnen schaffen es in den Skokan-Most.Foto: Geisel

So viel Saft wie möglich

Das Mus wird anschließend gepresst – mit einer cleveren Vorrichtung, die bei Skokans im Keller steht. Es handelt sich um einen Metallbehälter mit feinen Löchern auf allen Seiten, der von oben befüllt wird. In der Mitte befindet sich ein Wasserbalg, der Druck auf das Mus ausübt, sobald er befüllt wird. So holt das Paar möglichst viel Saft aus der „Rohmasse“.

Kunststoff- statt Holzfass

Diesen Saft füllen Martin und Jutta Skokan in Kunststoff-Fässer mit 60 Liter Fassungsvermögen. Die Größe ist der Handhabbarkeit geschuldet: 60 Liter lassen sich gerade noch so in den schönen, gut temperierten Gewölbekeller im eigenen Haus tragen. Außerdem lässt sich mit diesen Fässern im weiteren Most-Prozess gut hantieren. Das Material ist leichter sauber zu halten als die früher klassischen Holzfässer, die großzügig ausgeschwefelt werden mussten. Ein bisschen Schwefel brauche es aber auch im Kunststofffass, erklären die Hobby-Moster. Denn eines ist besonders wichtig beim Herstellen von „gutem Most“: Sauberkeit.

Nach der Ernte wird das Obst sorgfältig gewaschen und fein gehäckselt.
Nach der Ernte wird das Obst sorgfältig gewaschen und fein gehäckselt.Foto: Geisel

Sauberkeit first

„Ich putze mehr, als dass ich moste“, sagt Martin Skokan scherzhaft. Presse, Fässer – das gesamte Werkzeug muss vor und nach jeder Benutzung gründlich gereinigt werden. Das ist auch einer der Gründe, aus dem die beiden überhaupt eigenes Werkzeug angeschafft haben, anstatt ihre Äpfel und Birnen in einem fremden Betrieb pressen zu lassen. Hier können sie sicher sein, dass nichts vom vorherigen Kunden in ihrem Most landet. Außerdem sei oft schnelles Handeln gefragt. Sind Äpfel und Birnen erstmal reif, muss es schnell gehen mit der Verarbeitung. Nur mit eigener Ausstattung sind Skokans hier schnell genug.

Balance ist entscheidend

Der eingesetzte Schwefel hat Einfluss auf die weitere Verarbeitung: Gelangt zu viel in den Most, gibt es Probleme mit der Gärung, kommt zu wenig zum Einsatz, oxidiert das Getränk. Viel wichtiger ist aber, was im Obst steckt. Zucker, Säure und pH-Wert beeinflussen den späteren Most nachhaltig, weshalb diese Werte teilweise schon auf der Wiese gemessen werden. Ein Beispiel: Je mehr Zucker im Obst, desto mehr Alkohol im späteren Endprodukt und desto stabiler der Most. Ein bisschen könne man hier nachsteuern, erklärt das Paar, aber keine Wunder vollbringen. Der Grundgehalt müsse stimmen. Übrigens: Die Färbung der Äpfel und Birnen wirkt sich ebenfalls stark aus, allerdings auf die Farbe des späteren Mostes. Rotfleischige Apfelsorten können zu rose-farbenem Most führen, gelbe Birnen lassen auch den Most sehr gelbstichig werden.

Aus dem Obstmus wird so viel Saft wie möglich gepresst.
Aus dem Obstmus wird so viel Saft wie möglich gepresst.Foto: Geisel

Die zwei Gärphasen

In den frisch befüllten Fässern beginnt es nun erstmal emsig zu arbeiten. Immer, wenn sich Trub abgesetzt hat, wird der Saft abgezogen und umgefüllt, um einen möglichst klaren Most zu erhalten. Dann kommt die Hefe dazu. Sie entscheidet mit über das Aroma. Jutta und Martin Skokan haben zwei Arten ausgewählt, auf die sie gerne zurückgreifen – beides kaltgärende Reinzuchthefen. Ein wichtiger Faktor, denn im Gewölbekeller im Hause Skokan herrschen etwa 16 Grad. Die „perfekte“ Temperatur gebe es eher nicht, so das Paar. Wichtig sei vor allem, dass die Gradzahlen nicht schwanken. Nur dann kann die Hefe konstant arbeiten. Etwa zwei Wochen dauert diese erste Phase, dann folgen etwa sieben Wochen Langsam-Gärphase. Nun darf der angehende Most im Fass ruhen. Eine spannende Zeit, denn da heißt es: abwarten. Hat sich die harte Arbeit gelohnt? Ist das Ergebnis wie erhofft?

Mit Hoffnung probieren

Nach diesen etwa neun Wochen kann man den Most das erste Mal probieren, wissen Jutta und Martin Skokan. „Und ein bisschen hoffen, dass sich der Geschmack entwickelt wie gewünscht.“ Anschließend kommt der Most in das Lagerfass, sein endgültiges Zuhause. Richtung Weihnachten sei der Most dann „fertig“, es komme aber auch durchaus vor, dass sich besondere Aromen erst später noch entwickeln, erzählen Skokans. So erging es ihnen mit ihrem prämierten Most.

Zu ihrer eigenen Überraschung wurde der Skokan-Most prämiert.
Zu ihrer eigenen Überraschung wurde der Skokan-Most prämiert.Foto: Geisel

Mostprämierung des Landkreises: Ein Spaß für alle Hobby-Moster

Dreimal sind Jutta und Martin Skokan mit ihrem Most bereits bei der jährlichen Prämierung des Landkreises angetreten. Eine Jury und das Publikum verkosten bei diesem Event jeden eingereichten Most und bewerten nach Kriterien wie Geschmack und Farbe. Ein großer Spaß für alle Beteiligten, bei dem auch mal scherzhaft gestichelt wird, der Ehrgeiz aber eher im Hintergrund steht. Hier kommen vor allem Gleichgesinnte zusammen, die sich austauschen und auch mal völlig wertfrei Lob für die Most-Künste der anderen verteilen.

Herzensangelegenheit

Eine Überraschung und gleichzeitig eine Ehre für Jutta und Martin Skokan war der diesjährige Sieg. Ihr Most – aus Äpfeln von August 2024 und zur Weihnachten ihrer eigenen Einschätzung nach noch nicht einmal etwas Besonderes – erhielt die beste Bewertung. „Wow“, dachten die beiden nur, als sie das Ergebnis erhielten. Für sie ist es eine Bestätigung ihres Tuns, aber nicht entscheidend. Ihnen geht es nach wie vor um den guten Most. Immerhin sei man in der Region um Schönaich „im Streuobst-Paradies“. Diese Kulturlandschaft zu erhalten, ist ihnen eine Herzensangelegenheit.

Die gemeinsame Ernte macht doch viel mehr Spaß.
Die gemeinsame Ernte macht doch viel mehr Spaß.Foto: Geisel
von jg/red
10.06.2025
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