Brauchtum & Historisches

Räuberbanden im Odenwald und Kraichgau

Im Odenwald und Kraichgau, versteckt hinter Felsen und Bäumen, lauerten einstmals Räuber mit klangvollen Namen wie Hölzerlips oder Schwarzer Peter.
Ein bärtiger Räuber mit Steinschlosspistole lauert hinter einem Felsen. Er trägt Kleidung des frühen 19. Jahrhunderts und eine Dreispitz auf dem Kopf.
Wilde Räuber wie der Hölzerlips oder Schwarzer Peter durchstreiften die Wälder und Berge des Odenwalds & Kraichgaus.Foto: Erstellt mit KI - GPT Image 1

Wälder und Berge: ein ideales Räuberrevier

„Unnützes Heimat-Wissen“ führt diesmal in den Norden Baden-Württembergs. Dichte Wälder, Berge, steile Täler, Wege und Straßen, die kaum jemand kontrollierte, prägen die Landschaft. Wer früher hier unterwegs war, konnte leicht ins Visier von Räubern geraten: Kaufleute, Postkutschen, Jäger oder allein reisende Bauern.

Bereits im 17. Jahrhundert tauchen Berichte von ehemaligen Soldaten auf, die nach den Kriegen keine Arbeit mehr fanden; sie nutzten ihre Fähigkeiten lieber für Überfälle. Namen sind kaum überliefert. Eine Legende von den „Waldbrüdern“ oder „Wilden“ im Tal des Itterbachs bei Eberbach hielt sich lange. Das soll eine kleine Gruppe desertierter oder entlassener Söldner gewesen sein, die sich in der wilden Landschaft versteckte und Händler beraubte. Ausreichend historisch belegt ist diese Räuberbande jedoch nicht.

Stich zeigt ein Gruppenbild der Hölzerlips-Bande im Jahr 1811
Kupferstich der Hölzerlipsbande nach ihrer Verhaftung 1811.Foto: gemeinfrei

Der berühmteste Räuber des Odenwalds

Zwischen Südhessen, badischer Bergstraße und Odenwald soll auch die Bande von Georg Philipp Lang zugeschlagen haben. Der Räuberhauptmann ist besser bekannt unter seinem Spitznamen: Hölzerlips. Seine Bande soll unter anderem das „Felsenhaus“ im Reisenbacher Grund bei Mudau im badischen Odenwald als Rückzugsort genutzt haben. Noch heute führen Wanderwege durch das zerklüftete Gelände, in dem das sogenannte Felsenhaus liegt. Kleine Höhlen und Sandsteinblöcke gaben der Bande mutmaßlich Schutz vor ihren Verfolgern.

Mehrere Überfälle der Räuber sind belegt. So sollen sie am 1. Mai 1811 zwischen Laudenbach und Hemsbach an der Bergstraße eine Kutsche überfallen haben, wobei ein Schweizer Kaufmann schwer verletzt wurde. Dieser starb wenige Tage später in Heidelberg.

Im Jahr 1812 endeten die Leben von Hölzerlips und seiner Bande in Heidelberg auf dem Schafott. Doch schon lange zuvor hatten sich die Geschichten der Räuber in den Köpfen der Menschen verfestigt. Man erzählte von seiner Cleverness, von Verstecken, die er wie ein Schatten nutzte. Die Behörden hinkten der Bande stets einen Schritt hinterher. Brutal? Ja. Berühmt? Unumstritten. Und irgendwie auch faszinierend.

Video: Das Ende der Hölzerlipsbande

Der Schwarze Peter: nur ein Mythos im Odenwald?

Mit Hölzerlips wird auch ein anderer bekannter Name in Verbindung gebracht: Johann Peter Petri, der „Schwarze Peter“, stammte aus dem Hunsrück und gehörte zur Bande des wohl bekanntesten Räubers in Deutschland, dem Schinderhannes. Nach dessen Verhaftung und späteren Hinrichtung tauchte Petri im Rhein-Neckar-Raum auf. Er soll im Odenwald und Kraichgau je nach Quelle ab 1802 oder 1803 unterwegs gewesen sein.

In manchen Überlieferungen wird er mit dem Überfall der Hölzerlips-Bande auf die Kutsche zwischen Heppenheim und Weinheim 1811 in Verbindung gebracht. Ob er wirklich mitmischte oder ob man ihn später nur dazuerfand, weil der Name so klangvoll war? Möglich ist beides. Überliefert ist jedenfalls, dass Petri mit Philipp Friedrich Schütz, genannt „Mannefriedrich“, im Gefängnis saß. Dieser war Mitglied der Holzerlips-Bande. Mit seinen Kameraden soll er im Gefängnis das berühmte Kartenspiel „Schwarzer Peter“ erfunden haben; er benannte es nach seinem Mitgefangenen.

Reichelsheim, Heppenheim, Weinheim waren damals vielleicht nur Stationen auf Petris Weg oder Rückzugsräume. Ob er die Gegend unsicher machte? Unsicher. Aber die Geschichten halten sich. Sein Name lebt weiter: im Kartenspiel, in Redewendungen, im kollektiven Gedächtnis. Wer heute den „Schwarzen Peter“ zieht, denkt nicht unbedingt an einen echten Räuber, der durch unsere Wälder schlich. Doch genau das macht den Reiz dieser alten Geschichten aus: Sie verwischen Realität und Legende.

Der Räuber Johann Peter Petri, ein mann mit schwarzen Haaren und Schnurrbart, auf einem alten Stich
Johann Peter Petri, genannt der "Schwarze Peter".Foto: gemeinfrei

Johann Rothenbühler: Kraichgauer Räuber und Wilderer

Und während sich die Legenden um Hölzerlips und den Schwarzen Peter in den Köpfen festsetzten, gab es im benachbarten Kraichgau einen anderen berüchtigten Schurken: Anfang des 19. Jahrhunderts trieb Johann Rothenbühler hier sein Unwesen, ein Deserteur, Wilderer und Räuber. Geboren 1792 in Rohrbach bei Sinsheim, zog es ihn schon als Kind in die Wälder. Er lernte die „Kunst“ der Wilderei von seinem Vater. Später reiste er quer durch Europa: Frankreich, Spanien, Holland; überall tauchte er unter einem anderen Namen auf. In Baden und Württemberg war er als gefährlicher Räuber bekannt. Händler auf den Landstraßen, Jäger im Wald – niemand wusste, wann und wo er zuschlagen würde. Bei Zuzenhausen raubte Rothenbühler einmal einen Jagdknecht aus, fesselte ihn und verschwand im Wald.

Der Räuber hatte Talent darin, seinen Verfolgern zu entkommen. Trotz Steckbriefen, Belohnungen, Patrouillen und wachsamer Bürger blieb er monatelang auf freiem Fuß. Mehrfach verhalf er sich nach Verhaftungen mit List oder Gewalt zur Freiheit und entkam aus Gefängnissen. Erst 1825 gelang im Schwarzwald seine endgültige Festnahme. Die Gerichte verurteilten ihn zu lebenslangem Zuchthaus; 20 Jahre musste er absitzen. Nach der Haft lebte er als einfacher Tagelöhner in Wiesloch und starb 1859. Heute erinnert Rothenbühler daran, dass selbst im beschaulichen Hügelland des Kraichgaus die Wälder einst von echten Räubern durchstreift wurden.

Drei mit Säbel und Pistolen bewaffnete Räuber des frühen 19. Jahrhunderts durchstreifen den Wald auf der Suche nach Opfern.
Zahlreiche Räuberbanden trieben im heutigen Grenzgebiet zwischen Hessen, Bayern und Baden-Württemberg im 18. und 19. Jahrhundert ihr Unwesen.Foto: Erstellt mit KI - GPT Image 1

Die Michelstädter Bande und andere Schreckgestalten

Rothenbühler und Hölzerlips waren keine Einzelfälle. Um sie herum trieben weitere Räuberbanden ihr Unwesen, von denen einige fast ebenso berüchtigt wurden. Neben den prominenten Namen gab es zahllose kleinere Gruppen; ihre Mitglieder waren meist unbekannt.

Die sogenannte Michelstädter Bande soll Ende des 18. Jahrhunderts Südhessen und die westlichen Odenwald-Ausläufer terrorisiert haben. Überfälle, welche die Behörden monatelang beschäftigten, und Reisende hinterließen, die mit bleichen Gesichtern berichteten.

Anfang des 19. Jahrhunderts trieb es die hessische Räuberbande um Johann Adam Heusner, genannt „Rother Hann Adam“, hin und wieder auch nach Nordbaden. So überfiel diese zwischen Schriesheim und Altenbach am 7. August 1808 zwei Männer, die auf dem Heimweg vom Beerfelder Markt waren.

Andere Räuber tauchen nur sporadisch auf und die Quellenlage ist mehr als dürftig: der „Räuber vom Hohenstein“, der „Geisterräuber vom Gammelsbachtal“. Echt oder erfunden? Schwer zu sagen. Doch allein die Vorstellung, dass zwischen Bäumen und Felsen jemand lauert, reicht heute aus, um bei uns ein schauriges Prickeln zu erzeugen.

Ein Stich von 1814 zeigt eine männliche Person von der rechten Seite.
Johann Adam Heusner, genannt Rother Hann Adam - Stich von C.F. Brill 1814.Foto: C.F. Brill, Darmstadt, 1814/Wikipedia/CC BY-SA 4.0 - https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en (Hintergrund angepasst)

Warum die Region Räuber anzog

Es war kein Zufall, dass die Gesetzlosen ausgerechnet in diesen Regionen aktiv waren. Grenzgebiete mit wechselnden Herrschaftsverhältnissen (Kurpfalz, Baden, Hessen), dichte Wälder und kaum überwachte Handelswege machten Odenwald und Kraichgau zu perfekten Rückzugsräumen für Räuber. Händler auf dem Weg zu den Städten an Rhein, Neckar und Main waren für die Banden leichte Ziele. Hinzu kamen Armut, politische Umwälzungen wie die Napoleonischen Kriege und eine Strafverfolgung, die oft nur auf dem Papier existierte oder bestechlich war. Kein Wunder, dass sich Räuber oft über Jahrzehnte halten konnten.

Legenden: Räuberpistolen mit historischem Kern

Viele der wilden Gesellen leben bis heute in Liedern und Geschichten weiter. Hat Hölzerlips, der „Robin Hood des Odenwalds“, wirklich den Armen geholfen? Vielleicht. Der Schwarze Peter, der heute Kinder beim Kartenspiel ärgert, symbolisiert das ungelöste Räubergeheimnis. Und wer weiß, irgendwo, zwischen alten Pfaden und verwitterten Felsen, sitzt vielleicht noch der letzte Odenwaldräuber und wartet darauf, dass jemand vorbeigeht, dem er Hab und Gut entreißen kann.

Die Geschichte der Räuber zwischen Odenwald und Kraichgau ist ein bunter Mix aus belegbaren Taten, Überlieferungen und Anekdoten. Viele Namen kennen wir aus Chroniken oder aus Geschichten, die von Dorf zu Dorf weitererzählt wurden. Ein bisschen „Unnützes Heimat-Wissen“, ein bisschen Abenteuer und die Erinnerung daran, dass Wälder, Berge und Täler schon immer ihre eigenen Geschichten schrieben.

Wer heute durch den Kraichgau oder den Odenwald streift, kann sich sicher gut vorstellen, wie die Räuber einst zwischen Felsen und Bäumen lachten, lauerten oder schnell verschwanden, kaum dass man sie hörte oder zu Gesicht bekam.

von Andreas Herrmann
18.11.2025
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