Knapper Wohnraum, hohe Quadratmeterpreise und Materialkosten – gerade in den Großstädten suchen viele Menschen nach alternativen Wohnformen. Suffizientes Bauen heißt ein Ansatz, der das Eigenheim auf das Wesentliche reduziert. Das schont das Bankkonto und auch das Klima. Der wirksamste Hebel ist dabei die Wohnfläche. Dass glückliches Wohnen auf kleinem Raum möglich ist, zeigt der Trend zum Tiny House: Alles Notwendige zum Leben auf rund 20 Quadratmetern.
Das Tiny House bietet den Anhängern von Reduktion und Nachhaltigkeit, was sie brauchen: Kochstelle, Bad und Schlafplatz. Einige Städte und Gemeinden haben bereits Siedlungen für Tiny Houses geschaffen oder planen sie. Baden-Württemberg ist da ganz vorne mit dabei. In Schorndorf entstehen erstmals Tiny Houses auf städtischen Grünflächen und in Waldbronn bei Karlsruhe leben bereits seit einigen Jahren zufriedene Bewohner in einer Tiny House-Siedlung.
In Karlsruhe hat auch der Tiny House Verband e.V. seinen Sitz. Seiner Initiative verdankt die Tiny House-Bewegung nicht nur die Formulierung einer verbindlichen Norm, sondern auch einen publikumswirksamen und informativen Event, der 2024 bereits in die vierte Runde geht:
das NEW HOUSING - Europas größtes Tiny House Festival - vom 28. bis 30. Juni 2024 in der Messe Karlsruhe.
Informationen gibt es hier
Mit der „Industrienorm Kleingebäude“ hat der Tiny House Verband den aktuellen Stand der Technik für Tiny Houses und andere kleine Gebäude beschrieben. Die Norm versteht sich als Grundlage für die Herstellung verschiedener Kleingebäude, indem sie die wichtigsten Anforderungen für eine verantwortungsvolle Bauweise regelt. Dies sind in erster Linie sicherheitstechnische, andere technische und baubiologische Anforderungen sowie die gesellschaftlich vereinbarten Kriterien zur Nachhaltigkeit. (23.05.2023)
Zum Bezug der Norm
Die Minihäuser gibt es in allen Varianten: vom mobilen Holzhäuschen auf dem Anhänger für den kleinen Geldbeutel bis zum technisch komplett vernetzten 2-Personen-Wohnmodul, das Besitzer individuell planen und aufstellen lassen können. „Das Tiny House ist vor allem ein Ausdruck von Minimalismus“, weiß Schwäbisch Hall-Expertin Kathrin Milich. „Auch beim Wohnen wollen viele Menschen Ballast abwerfen und sich auf das für sie Wesentliche konzentrieren.“
Für viele ist der Klimaschutz ein wichtiges Argument für das Minihaus: Der persönliche ökologische Fußabdruck hängt stark von der genutzten Wohnfläche ab. Denn je kleiner der Raum, desto weniger Baumaterial wird verbraucht und desto weniger muss geheizt werden. Autarke Minihäuser mit Solarmodul, Photovoltaikanlage und Regenwasserbehälter sind besonders klimaschonend. Wer nachhaltig bauen will, findet Modelle aus recyceltem oder nachwachsendem Material. Attraktiv ist das Tiny House außerdem für alle, die nicht für immer am gleichen Ort wohnen wollen oder können, zum Beispiel für Berufs-Nomaden. Sie wählen ein Minihaus, das auf einen Anhänger passt und ziehen ihre Immobilie schnell und einfach mit um.
Wie ökologisch das Minihaus aber tatsächlich ist, hängt vom Modell ab. So geht die Mobilität zulasten der Energieeffizienz: Ein transportables Modell darf nicht mehr als 3,5 Tonnen wiegen – das schränkt die Möglichkeiten zur Wärmedämmung ein. Und: Zu einem Energieausweis sind Hersteller erst ab 50 Quadratmetern Wohnfläche verpflichtet. Hinzu kommt, dass ein Tiny House sich kaum umbauen lässt, wenn sich die Lebenssituation ändert. Wächst die Familie, fehlt zum Beispiel der Platz fürs Kinderbett. Die meist höher gelegenen Schlafplätze sind nicht barrierefrei. Außerdem ist der Stauraum begrenzt: „Mit zu viel persönlichem Besitz sollte man nicht ins Häuschen einziehen“, so Milich.
Ob ein Tiny House im Alltag das Richtige ist, lässt sich im Urlaub zur Miete erproben. Wer sich dauerhaft fürs Wohnen im Minihaus entscheidet, findet eine breite Auswahl an Modellen. Um sich umfassend über die Modellvielfalt, sämtliche Fragen zur Rentabilität, Kosten und Rahmenbedingungen zu informieren, lohnt sich ein Besuch der nächsten NEW HOUSING Messe in Karlsruhe.
Allerdings setzt das deutsche Recht der Freiheit Grenzen: Auf der Straße gelten für mobile Häuser die Zulassungspflichten eines Campingwagens. Als fester Wohnsitz benötigt ein Tiny House wie jedes andere Haus eine Baugenehmigung und die entsprechenden Anschlüsse an Strom, Wasser und Abwasser. Diese Voraussetzungen sollten unbedingt abgeklärt werden.
Wie bei konventionellen Häusern auch, brauchen Tiny-House-Besitzer ebenso ein Grundstück mit Anschluss an das öffentliche Straßen-, Wege-, Ver- und Entsorgungsnetz. Voraussetzung dafür: der Bebauungsplan. Und hier liegt die Herausforderung, denn Bebauungspläne sind für konventionelle Wohnhäuser vorgesehen. In Bebauungsplänen legen Gemeinden fest, wie hoch ein Haus sein darf oder wie die Dachform oder Fensterart aussehen dürfen, um sich in den Ort einzufügen. Auch die Mindestgrundfläche ist zumeist Teil eines Bebauungsplans.
Wer mehr als vier Monate im Jahr in einem Tiny House wohnt, muss sich außerdem an das Gebäudeenergiegesetz mit Auflagen zur Gebäudedämmung und Heizung halten. Manche Bundesländer bieten Möglichkeiten für andere Wege. In Baden-Württemberg etwa gibt es den Paragraphen 56, der "experimentelles Bauen" zulässt. So konnte die Tiny-House-Siedlung in Waldbronn entstehen.
Der Markt für Tiny Houses, oder auch Mini- und Container-Häuser, hat sich möglichen Bedenken zum Trotz zu einem zukunftsreichen Markt entwickelt und spricht schon längst nicht mehr die sogenannten Aussteiger an, sondern Singles, Paare, Rentner und selbst Familien. "Worauf Tiny-House-Bewohnerinnen und Bewohner bei allem Minimalismus nicht verzichten sollten, ist eine gut geplante und fachmännisch ausgeführte Elektroinstallation", stellt Michael Conradi von der Initiative Elektro+ fest. "Das bringt Wohnkomfort und vor allem die nötige Sicherheit." Der Experte gibt Tipps, worauf zukünftige Tiny-House-Besitzerinnen und -Besitzer in puncto Elektroanlage achten sollten.
Minihäuser haben meist einen offenen Grundriss. Das Leben findet auf einer kleinen Fläche statt, auf der Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad, WC und Küche untergebracht sind. Der Grundriss bringt es mit sich, dass nur wenige Wände vorhanden sind, das Anbringen von ausreichend Schaltern und Steckdosen für Leuchten und Elektrogeräte ist schwierig. Trotzdem sollten sich Bauherrinnen und -herren an der Richtlinie RAL-RG 678 orientieren. Diese gibt Auskunft über Anforderungen an die Elektroinstallation und umfasst verschiedene Ausstattungsstufen vom Mindeststandard bis hin zur Komfortvariante.
Um Platz zu sparen, sind Steckdosen mit integrierten USB-Anschlüssen und Schnellladefunktion sinnvoll, sie ermöglichen das gleichzeitige und schnelle Aufladen unterschiedlicher Elektrogeräte. Darüber hinaus bieten sogenannte Electronic-Dosen in luftdichter Ausführung Platz für Einbaugeräte wie Schalter und Steckdosen, Antennen- und Netzwerkanschlüsse sowie weitere elektronische Bauteile. Tiny Houses sind auch smart-home-fähig, die gesamte Ausstattung - von der Beleuchtung bis zum Sonnenschutz - lässt sich auch auf engem Raum intelligent miteinander vernetzen und bequem per App steuern.
Auch in einem Minihaus kommen verschiedene elektrische Geräte und Anwendungen zum Einsatz. Damit diese bedenkenlos betrieben werden können, ist ein durchgängiges Schutzkonzept wichtig. Bei derart kompakten Gebäuden, wie dem Tiny House, darf die Elektroverteilung allerdings nicht übermäßig viel Platz einnehmen. Die normativen Forderungen an die Schutzorgane können daher mit kompakten Schutzgeräten in Form von FI/LS-Schaltern oder AFDD mit integriertem Leitungsschutz erfüllt werden. Um die eigenen vier Wände damit auszustatten, ist kein großer Aufwand nötig. Die Schalter werden einfach in den Installationsverteiler integriert.
Die Autarkie des Hauses ist ein wichtiger Faktor des Tiny House Movement. Aus diesem Grund nutzen viele Bewohner in erster Linie Solarenergie. Diese wird über eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Minihauses gewonnen und deckt im Idealfall 60 Prozent des durchschnittlichen Energiebedarfs. Problematisch wird die Stromversorgung durch erneuerbare Energien bei schlechtem Wetter und im Winter, wenn die Tage wieder kürzer werden. Da die PV-Anlage in dieser Zeit deutlich weniger Strom produziert, sollte das Tiny House zusätzlich an das öffentliche Stromnetz angeschlossen werden und über entsprechende Anschlüsse verfügen. Individuelle Beratung zu Ausstattung und Möglichkeiten der Elektroinstallation im Tiny House bieten Elektrofachleute.