Nicht nur zur Vorbeugung, sondern auch zur Behandlung von Krankheiten wird das „Wundermittel“ Sport empfohlen und gepriesen. Doch mit zunehmender physischer Aktivität und einer Steigerung des Trainingspensums erhöht sich auch das Risiko für Verletzungen. Laut Schneider und Kollegen, die Daten über Deutschland in einer Studie auswerteten, liegen Sportverletzungen mit einer jährlichen Zahl von etwa 2 Millionen nach Unfällen im Haushalt auf Platz 2 der häufigsten Verletzungen. Bei Kindern und Jugendlichen sind sie sogar die Hauptursache für Verletzungen. Stauchungen, Zerrungen und Bänderverletzungen an den Knien oder Knöcheln treten am häufigsten auf. Schwerwiegende Verletzungen wie eine Ruptur des Vorderen Kreuzbandes oder Bänderrisse können langfristige, verletzungsbedingte Folgen wie eine längere Pause vom Training (durch die Verletzung), Einschränkungen in der Teilnahme am sozialen Leben und Krankschreibungen bei der Arbeit oder in der Schule nach sich ziehen. Körperliche Schädigungen wie ein erhöhtes Arthroserisiko durch die Verletzung und Gewichtszunahme durch die Trainingsunterbrechung sind ebenfalls möglich.
Zur Minimierung des Verletzungsrisikos gibt es viele unterschiedliche Meinungen. Vor oder nach dem Training dehnen, vor dem Training aufwärmen, Bandagen oder Einlagen tragen oder ein Krafttraining zusätzlich zum eigenen sportartspezifischen Training absolvieren sind nur einige Beispiele. Doch ist es möglich Verletzungen zu vermeiden und wie sollte dementsprechend ein Training aufgebaut werden? Um genauer auf dieses Thema einzugehen, muss man sich zuerst die verschiedenen Arten von Verletzungen anschauen. Wichtig ist dabei, dass sich diese, unabhängig von der Art der Verletzung, nie ganz vermeiden lassen. Allenfalls das Risiko
kann reduziert werden.
Verletzungen lassen sich grob in spontane Unfälle (mit und ohne Fremdeinwirkung) und Überlastungsverletzungen aufteilen. Das Risiko für Unfälle kann zwar reduziert werden, aber durch die Krafteinwirkung von außen lassen sie sich schwerer kontrollieren oder ganz vermeiden. Meistens passieren diese Unfälle bei Mannschaftssportarten oder durch Zusammenstöße z. B. beim Skifahren. Verletzungen ohne Fremdeinwirkung und ohne spontanes Trauma (Unfälle) sind meistens Überlastungsverletzungen. Diese treten meist bei repetitiven Sportarten wie Joggen, Schwimmen oder Nordic Walking auf. Wird in kurzer Zeit das Trainingspensum deutlich gesteigert oder nach einer längeren Pause zu rasch und intensiv das Training wieder aufgenommen, können solche Verletzungen entstehen. Da aber bei dieser Art der Verletzung keine Fremdeinwirkung auftritt, lassen sie sich auch deutlich besser kontrollieren. Wichtig ist vor allem, das Training langsam und konsequent aufzubauen. Selbst hohe Trainingsumfänge (häufige und intensive Einheiten) sind für den Körper kein Problem, wenn sie über einen längeren Zeitraum aufgebaut werden. Der australische Forscher Tim Gabbett spricht in diesem Zusammenhang von der „Zehn-Prozent-Regel“: von Woche zu Woche sollte das Trainingspensum nicht mehr als zehn Prozent gesteigert werden. Damit können bei Läufern die absolvierten Kilometer gemeint sein, die Zeiteinheiten in Minuten oder auch die Gewichte im Krafttraining.
Doch nicht nur ein zu rasch gesteigertes Training kann dem Körper schaden. Auch eine zu geringe Trainingsbelastung im Sinne eines Untertrainings birgt ein erhöhtes Verletzungsrisiko. Der Körper ist dann nicht belastbar genug für die sportliche Aktivität. Gerade wenn eine sportliche Aktivität neu begonnen wird oder nur sehr unregelmäßig ausgeführt wird, ist der Körper nicht optimal auf die Anforderungen vorbereitet.
Gewisse Strukturen wie Bänder oder Sehnen brauchen oft eine Weile, um sich einer (neuen) Belastung anzupassen. Eine gute Möglichkeit, die Belastbarkeit des Körpers zu verbessern, um Überlastungsverletzungen zu vermeiden, ist zusätzlich zum Lauftraining ein Krafttraining zu absolvieren.
Neben der Zunahme an Kraft und der daraus resultierenden Verbesserung der Performance kann dieses auch einen schützenden Effekt auf die verschiedenen Gewebearten des Körpers haben. Die unterschiedlichen Gewebe werden belastbarer. Die Knochenmineraldichte kann durch Krafttraining verbessert werden. Neben einem hochintensiven Training, bestehend aus Sprüngen und Sprints, ist dies der beste Schutz vor Knochenbrüchen und Osteoporose im Alter. Möglicherweise kann Überlastungsbrüchen, auch als Stressfrakturen bezeichnet, vorgebeugt werden. Bindegewebsstrukturen wie Bänder und Sehnen, die aus Kollagen bestehen, können durch ein Krafttraining verdickt und dadurch gestärkt werden. Dadurch kann Bänderrissen, die häufig beim Umknicken entstehen, oder Sehnenverletzungen wie der Achillessehnenruptur vorgebeugt werden.
Krafttraining kann außerdem dazu eingesetzt werden, Muskeldysbalancen zu beheben. So können einseitige Belastungen vermieden werden. Ausdauersportler wie z. B. Läufer haben meist eine ausgeprägte Muskulatur auf der Vorderseite der Oberschenkel (Quadriceps), andere Muskelgruppen, wie die Rückseite der Oberschenkel oder die Gesäßmuskulatur, sind im Verhältnis dazu weniger trainiert. Ein spezielles Krafttraining, was beispielsweise die Rückseite der Oberschenkel (Ischiokrurale Muskulatur/Hamstrings), die Wadenmuskulatur und die Gesäßmuskulatur trainiert, kann die Lauftechnik verbessern, die Stabilität erhöhen und damit vor Überlastungsverletzungen am Knie schützen.
Neben der Vorbeugung von Überlastungsverletzungen ist auch bei der Rehabilitation nach Verletzungen, wie nach einer Ruptur des Vorderen Kreuzbandes am Knie, Krafttraining wichtig. Die verletzten Strukturen sind in hohem Maße anfällig für eine erneute Verletzung. Durch Krafttraining können sie wieder belastbarer gemacht und eine bessere Ansteuerung und Koordination der Muskeln erreicht werden. Da dieses Training sehr genau gesteuert werden sollte, ist hier eine Begleitung durch einen Physiotherapeuten sinnvoll und wichtig. Mit dem Therapeuten können gemeinsam die richtigen Übungen ausgewählt und im weiteren Verlauf auch angepasst und gesteigert werden.
Beispiel: Verletzungsprophylaxe bei Läufern
Warm-up für 45 min Laufen mit Sprinteinheiten
Ziel: Gelenke auf Belastung vorbereiten, erforderliches Bewegungsausmaß für Sprints erreichen, um Muskel-faserrisse vorzubeugen
Beispiele: dynamisches Warm-up mit Anfersen, Kniebeugen, Ausfallschritten und Kniehebel-Läufen
Zusätzlich zum Lauftraining: Krafteinheit, um die Belastbarkeit der Gelenke zu erhöhen und die Stabilität zu verbessern. Wichtige Elemente: Training der Gesäßmuskulatur, Rumpftraining, einbeinige Übungen für die untere Extremität, Wadentraining
Einen ähnlichen Ansatz wie das klassische Krafttraining hat das sogenannte Neuromuskuläre Training. Dies beinhaltet neben den Übungen mit dem eigenen Körpergewicht (Krafttraining) auch Strategien zur Verbesserung der Balance, der Reaktionsfähigkeit und der Agilität (Richtungswechsel, Explosivität, Sprünge). Dadurch ist es weniger zur Vermeidung von Überlastungsverletzungen, sondern zur Vorbeugung von akuten, spontanen Unfällen wie Bänderrissen am Knöchel oder Kreuzbandrisse am Knie geeignet. Der Körper wird trainiert, schneller zu agieren und auf Einflüsse von außen zu reagieren.
An die Sportart angepasst, kann es als einzelnes Training oder als Aufwärmprogramm absolviert werden. Dafür können Wackelbretter oder ähnliches für das Balancetraining zum Einsatz kommen, aber auch Sprünge zur Verbesserung der Landetechnik und zur Stabilisation geübt werden.
Im Fußball ist diese Trainingsform schon vielfältig zum Einsatz gekommen. Das Präventionsprogramm FIFA 11 zur Vermeidung von Kreuzbandverletzungen. Anstelle eines Dauerlaufs zum Aufwärmen werden hierbei 15 bis 20 Minuten lang Laufübungen wie Richtungswechsel und Seitgalopp, Kraftübungen wie der Unterarmstütz oder Bridging, Sprünge und Balanceübungen im Einbeinstand durchgeführt.
Doch nicht nur Mannschaftssportarten erfordern Agilität und schnelle Reaktionen. Auch beim Skifahren, oder beim Laufen durch unebenes Gelände, kann man mit Neuromuskulärem Training Verletzungen vorbeugen!
Beispiel: Verletzungsprophylaxe bei Skifahrern, 1 Woche Skifahren pro Jahr
Vorbereitung auf die kommende Belastung z. B. im Rahmen eines Krafttrainings oder Zirkeltrainings (Kraftausdauertraining) über einen längeren Zeitraum vor dem eigentlichen Skifahren
Wichtige Elemente:
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Verletzungen zwar nie ganz vermieden werden können, aber das Risiko teilweise reduziert werden kann. Um Überlastungsverletzungen zu vermeiden, ist ein regelmäßiges, kontrolliertes Training wichtig. Trainingssteigerungen und Wiederaufnahme des Trainings nach einer Pause sollten langsam geschehen. Unterstützend dazu kann die Belastbarkeit des Körpers durch Krafttraining gesteigert werden. Um Spontanverletzungen durch Unfälle zu reduzieren, kann neben einem Krafttraining ein Training zur Verbesserung der Koordination und Reaktion durchgeführt werden.