Heidelberg hat viele schöne Ecken zu bieten – ob Schloss, Königstuhl oder Altstadt. Auch der Philosophenweg im Stadtteil Neuenheim gehört dazu. Und der ca. zwei Kilometer lange Weg am Heiligenberg verbindet auch all diese Ecken, sozusagen auf künstlerische Art miteinander.
Gestartet wird die kleine Wanderung im Stadtteil Neuenheim. Der Ausgangspunkt liegt etwas versteckt. Zunächst wartet ein sehr steiler Anstieg am Südhang des Heiligenberges, der vorbei am Physikalischen Institut führt. Oben angelangt, wird der Weg ebener und flacher. Der intensive, die Beinmuskulatur fordernde Anstieg, lohnt, denn weiter oben wird man mit tollen Ausblicken belohnt.
So poetisch der Name des Philosophenweges schon deucht, so poetisch sind die Ausblicke, die man während der kurzen, aber auch anspruchsvollen Wanderung hier erhaschen kann. Ein künstlerisches Bild auf Heidelberg erwartet die Wanderer.
Nach dem steilen Anstieg wird eine Parkanlage erreicht, die Eichendorff-Anlage, eine kleine Gartenanlage, benannt nach dem Dichter der Romantik, Joseph von Eichendorff, der 1807 bis 1808 in Heidelberg studierte. Er verkehrte gemeinsam mit anderen Dichtern in Heidelberg, die sich zum Eleusinischen Bund zusammenschlossen. Eichendorff ließ sich dabei von der dortigen Aussicht für seine Werke inspirieren.
Auch viele andere Studierende kamen oft zum Nachdenken oder zum Genießen der Stille dorthin, daher auch der Beiname Philosophengärtchen, obwohl es sich nicht um einen Garten, sondern einen Weg durch die Weinberge handelte.
Das Wort „Philosoph“ bezieht sich hier auch nicht auf die Dichter, die im Laufe des Wanderweges eine Rolle spielen, sondern auf die Heidelberger Studenten. Denn früher nannte man alle Studierenden noch Philosophen, da die Philosophie ein Grundstudium war, welches vor dem eigentlichen Studium belegt werden musste. Hier mussten die aus der Antike stammenden septem artes liberales – die sieben freien Künste – studiert werden.
Die septem artes liberles gliederten sich in das Trivium und das Quadrivium
Grammatik, Rhetorik und Dialektik
Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.
Bereits in der Eichendorff-Anlage wird deutlich, dass sich an diesem Fleck ein wirkliches, kleines Naturparadies befindet. Hier herrscht ein mediterranes Klima. Urlaubsgefühl inklusive, sitzt man doch mitten in dieser grünen Anlage umgeben von Palmen. Möglich macht dies die besondere Lage am Hang. Dadurch können auch exotischere Arten an Pflanzen und Tieren siedeln. Neben Palmen bspw. Zitrus, Mandelbäume oder Lorbeer. Und auch die tierische Vielfalt wird durch einen sehr natürlichen Lebensraum begünstigt, finden sich hier doch Mauereidechse, Schlingnatter oder Wildbienen.
Inmitten dieser Vegetation lässt sich die Aussicht auf Heidelberg genießen. Vom Blick aus der Eichendorff-Anlage öffnet sich der Vorhang auf das romantische Flair Heidelbergs, mit Blick auf den Neckar, das Schloss, den Königstuhl und die Alte Brücke. Von hier oben wirkt das Stadtleben so klein.
Der Blick fällt den Hang hinunter, dann zum Neckar, den dahinterfahrenden Autos, der angrenzenden Altstadt mit ihren rot blitzenden Ziegeldächern. Dahinter erhebt sich der Wald am Hang: eine Staffelung von Bäumen, die wie ein Schutzwall vor der Altstadt wirken.
Um beim Theaterbild zu bleiben: In der Eichendorff-Anlage sitzt man wie ein Zuschauer auf den Bänken. Der Blick vom Rang eines Theatersaals nach unten zum Neckar und die Straße dahinter (der Bereich vor der Bühne), dann die Altstadt als eigentliche Bühne des romantischen Schauspiels. Der dahinter liegende Schutzwall des Waldes dient als Bühnenbild für diese Kulisse und gibt ihr den passenden Rahmen.
Hat man hier den Anblick auf die Stadt genossen, so geht es weiter. Wer möchte, kann den eigentlichen Philosophenweg kurz verlassen und einen kleinen Zwischenanstieg wagen, um den 1903 errichteten Bismarckturm zu besichtigen, von dem aus sich ebenfalls ein Blick auf die Altstadt und Neckar erspähen lässt. Der Bau des Turms wurde damals von der Heidelberger Studentenschaft angeregt. Er ist 15 Meter hoch.
Zurück geht es danach wieder weiter auf dem Philosophenweg. Nächster Aussichtspunkt ist der Lieselotte-Platz. Eine Gedenktafel erinnert hier an die Pfälzerin Lieselotte, Herzogin von Orléans. Sie wurde 1671 mit Philipp von Orléans, Bruder von König Ludwig XIV verheiratet.
Weitere kleine Aussichtspunkte auf dem fortlaufenden Weg vermitteln einem dasselbe bereits beschriebene „Bühnenbild“ aus verschiedenen Perspektiven. Immer umgeben wird man dabei von allerlei Vogelgezwitscher, das einem den ökologisch wertvollen Aspekt der Artenvielfalt des Philosophenweges verdeutlicht.
Mit dem Hölderlinpark, benannt nach Johann Christian Friedrich Hölderlin, neigt sich der Philosophenweg so langsam dem Ende entgegen: Hier heißt es nochmal, die Naturidylle genießen, entspannen und durch ein Gartentor einen kleinen versteckten Blick auf das Schloss werfen. Als würde man einen Blick durch ein Türschloss werfen.
Nun gelangt man zum Ende des Philosophenweges. Der Abgang erfolgt dabei über den Schlangenweg. Dieser endet oberhalb der historischen Alten Brücke. Mehrere hundert Meter geht es hinab durch eine enge Gasse. Der serpentinenartig verschlängelte und mit Steinen gepflasterte Weg ist teils umschlossen von einigen Büschen, Steinmauern oder auch einigen Weinbergen. Es wirkt wie eine kurze Flucht aus dem Alltag, abgeschottet von Verkehr und Lärm, nur umgeben von Natur. Die Mauern links und rechts wirken wie Schutzwälle, die einen im philosophischen Sinne ganz bei sich selbst sein lassen, abgegrenzt von äußeren Einflüssen.
Auch wenn der eigentliche Philosophenweg nur gut zwei Kilometer lang ist, so lässt sich durch die vielen kleinen Aussichtspunkte oder Parkanlagen eine Menge Zeit hier oben verbringen. Wer möchte und fit genug ist, kann zudem auch noch einen Abstecher auf den oberen Philosophenweg machen. Dabei lassen sich auch der Aussichtsturm Heiligenberg oder eine Thingstätte aus dem Jahr 1934/35 erkunden.
Der Philosophenweg ist mehr als nur ein Spaziergang; er ist eine Reise für die Sinne und den Geist. Hier entfaltet sich ein Panorama, das sich tief einprägt – das Heidelberger Schloss, die Altstadt in der Schleife des Neckars. Die Stille lädt zum Innehalten ein.