Jedes Jahr nehmen sich allein in Deutschland rund 10.000 Menschen das Leben. Zurück bleiben Angehörige, Freund:innen und enge Wegbegleiter – erschüttert, sprachlos und oft vollkommen überfordert mit dem, was geschehen ist. Der Tod durch Suizid ist nicht nur ein tragisches Ereignis, er verändert das Leben der Hinterbliebenen oft radikal. Denn zur Trauer mischen sich Fragen, Zweifel, quälende Gedanken und Schuldgefühle, die lange anhalten können.
Nach einem Suizid geraten viele Hinterbliebene in eine Ausnahmesituation. Sie stehen unter Schock, erleben tiefe Verzweiflung – und suchen oft verzweifelt nach Erklärungen. Warum hat er das getan? Hätten wir etwas bemerken müssen? Habe ich etwas versäumt? Diese Fragen können zermürbend sein. Und oft bleibt das "Warum" für immer unbeantwortet.
Psychologische Studien zeigen, dass Suizid-Hinterbliebene häufiger und intensiver unter Schuldgefühlen leiden als andere Trauernde. Das Gefühl, den geliebten Menschen im Stich gelassen zu haben, kann übermächtig werden. Viele klammern sich an das Gedankenmuster: Hätte ich nur..., in der Hoffnung, durch Rückschau Kontrolle über das Unkontrollierbare zu gewinnen.
Die Schuld, die Hinterbliebene empfinden, ist selten rational – aber sie ist real. Sie kann sich in Sätzen äußern wie:
Diese Selbstvorwürfe sind Teil des Trauerprozesses, aber sie können diesen auch blockieren. Denn oft geht es nicht um wirkliche Schuld – sondern um die Ohnmacht, das Unfassbare nicht verhindern zu können. Besonders schwer wird es, wenn auch Wut hinzukommt: auf sich selbst, auf andere, sogar auf den Verstorbenen. All das ist normal – aber für viele Betroffene schwer auszuhalten.
Suizid ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema. Viele Angehörige schweigen aus Angst vor Stigmatisierung oder Unverständnis. In Todesanzeigen wird die Ursache verschleiert, im Freundeskreis wird der Verlust totgeschwiegen. Das verstärkt das Gefühl von Einsamkeit.
Dabei bräuchten Hinterbliebene nach einem Suizid vor allem eines: einen geschützten Raum für ihre Trauer. Einen Ort, an dem man nichts erklären muss. Wo man weinen, wütend sein, erinnern und auch einfach nur schweigen darf.
Hilfe für Angehörige nach Suizid – Trauerbegleitung und Selbsthilfe
Viele Hinterbliebene finden Hilfe in spezialisierten Selbsthilfegruppen oder bei professioneller Trauerbegleitung. Hier erleben sie, dass ihre Gedanken und Gefühle nicht ungewöhnlich sind – und dass es Wege gibt, mit dem Unfassbaren zu leben.
Wichtige erste Schritte können sein:
Wer einen geliebten Menschen durch Suizid verliert, steht oft vor einem Scherbenhaufen. Es gibt kein Zurück – aber es gibt ein Danach. Eines, das langsam heller werden darf. Mit jedem Tag, an dem Schuld ein wenig weicht. Mit jeder Begegnung, in der das Schweigen durch Mitgefühl ersetzt wird. Und mit der Erkenntnis, dass du weiterleben darfst – ohne vergessen zu müssen.
Du bist nicht schuld. Du trauerst. Und du darfst dabei gehalten werden.
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