Essen versorgt uns mit Energie und Baustoffen aus den drei Hauptnährstoffen Eiweiß, Fett und Kohlenhydrate. Zudem erhalten wir die nötigen Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe, sekundären Pflanzenstoffe, Spurenelemente und Flüssigkeit. Essen hält uns schlichtweg am Leben – daher auch der Begriff „Lebensmittel“. Oder anders gesagt: Essen ist unser Mittel zum Leben.
Doch wir verknüpfen Essen auch bewusst und unbewusst mit verschiedensten Emotionen, Beziehungsmustern und Bewertungen. Essen und Psyche sind untrennbar verbunden: Uns „schlägt etwas auf den Magen oder wir haben ein „gutes/schlechtes Bauchgefühl“. Essen hat viel mit Beziehungen zu tun: mit der Beziehung zu mir selbst, zu meinem Körper und meiner Seele, zu den Menschen, die mir Essen geben und zu denjenigen, mit denen ich gemeinsam esse. Nicht zuletzt geht auch um die grundlegende Beziehung zu Lebensmitteln selbst – zu dem, was uns die Natur schenkt und wofür Tiere ihr Leben lassen.
Der Grundstein für diese Beziehungen wird schon als Säugling gelegt. Beim Stillen – der erste Akt der Nahrungsaufnahme außerhalb des Mutterleibes – entsteht ein Gefühl von Zufriedenheit, Sättigung, Fürsorge, Vertrauen und Liebe. Beim Säugling ist die Mahlzeit nicht nur Sättigung, sondern auch innige Liebe und Fürsorge. Mit dem Stillen wird mit dem physiologischen auch der emotionale Hunger gesättigt. Im Laufe des Älterwerdens lernen wir im besten Fall, diese beiden Bedürfnisse nach und nach voneinander zu unterscheiden.
Wir essen jeden Tag mehrere Male, ein Säugling sogar 12- bis 14-mal in 24 Stunden. So ist essen das Natürlichste der Welt und gehört zu den tiefliegenden Bedürfnissen des Menschen. Beim Essen und Verdauen wird das parasympathische Nervensystem aktiv – jener Teil des Nervensystems, der die Körperentspannung reguliert. So führt essen dazu, dass ein beruhigendes Gefühl und Zufriedenheit auftreten.
Gemeinsam essen gehört überall auf der Welt und in allen Kulturen zum Ritual des Zusammenlebens: Das Beieinandersitzen, gemeinsame essen und trinken, dabei das gute Gespräch – das sind beziehungsstarke Momente. Dafür Zeit zu finden ist in einem zunehmend hektisch gewordenen Alltagsleben schwieriger geworden. Verschiedene, manchmal
auch lange Arbeits- und Schulzeiten, Dienstreisen und auch Freizeittermine machen das gemeinsame Familienessen zur organisatorischen Herausforderung. Gerade deshalb sind feste Essenszeiten und regelmäßig auch ausgedehnte feierliche Mahlzeiten mehr denn je ein unabdingbares Element der Beziehungspflege.
Von Geburt an bis hin zum Tod müssen wir essen, um zu leben. Menschen, die spüren, dass das Ende ihres Daseins naht, stellen die Nahrungsaufnahme nach und nach ein. Im Gegensatz dazu steht am Beginn eines Lebens ein ausgeprägter Drang nach Essen. Säuglinge sind extrem hungrig und fordern Energie ein. Das Essverhalten ist nicht nur Ausdruck unseres Stoffwechsels und kennzeichnet die anabolen und katabolen Lebensphasen, sondern spiegelt auch unsere seelische Verfassung wider.
Letztlich ist auch unsere Beziehung zu den Lebensmitteln für unsere physische und psychische Gesundheit grundlegend. Noch vor ein paar hundert Jahren musste Nahrung hart erarbeitet werden – heute laufen oder vielmehr fahren wir bloß in den Supermarkt von nebenan. Dort scheinen die Theken und Regale vor Lebensmitteln fast überzuquellen. Diese Beziehung zu dem, was es dort zu kaufen gibt, hat sich in jeglicher Hinsicht verändert. Unser Verhältnis zu Fleisch und Fisch, Wurst und Käse sowie Obst und Gemüse befindet sich in einer Beziehungskrise.
Hier gibt es einige Aspekte, die überdacht werden sollten: Wie sind die Lebensmittel verpackt und auf welchem Wege werden sie nach Hause transportiert? Vor allem aber: welchen Weg nimmt das Produkt, bis es im Regal landet – von wo kommt es her und was ist passiert, bis es bei uns auf dem Teller liegt? Wissen wir den wahren Wert von Lebensmitteln wirklich zu schätzen?
Dazu gehört auch die Zubereitung; selbst zubereiten, kochen und braten, dünsten und grillen – und
arrangieren. Denn das Auge isst mit: Zum kulinarischen Genuss gehört auch ein optischer Eindruck. Wer seinen Gästen eine gute Mahlzeit präsentiert, löst Vorfreude aus. Wenn man sich dann noch zum gemeinsamen Zubereiten eines schönen Menüs trifft und einen geselligen Abend verbringt, zu dem jeder seinen Beitrag einbringt, ist das Wohlfühlprogramm für Körper, Geist und Seele perfekt – sofern nichts anbrennt …).