
Trauer folgt keinen Regeln. Sie kommt und geht in Wellen, manchmal vorhersehbar, manchmal völlig überraschend. Dennoch gibt es Muster, die viele Trauernde erleben. Diese Muster nennt man „Trauerphasen“. Sie zu kennen, kann helfen, sich selbst oder andere besser zu verstehen – gerade wenn man sich verloren fühlt.
Zunächst steht der Betroffene unter Schock und will den Verlust nicht wahrhaben. Meist kommt es ihm wie ein böser Traum vor, aus dem er erwachen möchte. Begleitet werden kann diese Phase von Übelkeit, Unruhe oder einem rasenden Puls. Meist ist diese Gefühlslage nur von kurzer Dauer und wird als sehr starr empfunden.
Das hilft in dieser Phase:
Es ist wichtig zu wissen: Nicht jeder Mensch durchlebt alle Phasen. Manche erleben sie in anderer Reihenfolge oder überspringen einzelne Phasen ganz. Das ist vollkommen normal.
Viele Menschen fühlen nach dem ersten Schock intensive Wut. Diese richtet sich oft gegen andere Menschen („Warum haben die Ärzte nichts getan?“), gegen das Schicksal („Warum gerade ich?“) oder sogar gegen die verstorbene Person selbst („Warum hast du mich allein gelassen?“).
Was hilft in dieser Phase:
In der darauffolgenden Phase werden Emotionen zugelassen und bringen meist Depression, Zukunftsängste oder das Zweifeln am Schicksal mit sich. In dieser Zeit kann es auch dazu kommen, dass der Betroffene nach einem Schuldigen sucht. Außerdem können Konzentrations- bzw. Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit auftreten.
Wie intensiv diese Phase erlebt wird, hängt oft von der Beziehung ab, die zu dem Verstorbenen bestand, und auch davon, ob es offene Probleme gibt, die vor dem Tod nicht mehr gelöst werden konnten. Die oft sehr starken und aggressiven Gefühle helfen dem Betroffenen jedoch, besser mit der Situation klarzukommen und nicht in Depression zu verfallen, da er oft unter eigenen Schuldgefühlen leidet. Persönliche Rituale können helfen, mit dem Verlust klarzukommen.
In der dritten Phase wird oft nach Gemeinsamkeiten mit dem Verstorbenen gesucht. Der Trauernde beginnt, sich mit der Situation auseinanderzusetzen und verarbeitet den Verlust.
Letztendlich werden der Verstorbene und dessen Verlust verinnerlicht (das "Er-Innern" beginnt, eine Rolle zu spielen, und ist aushaltbar) und der Trauernde beginnt, das Leben weiterzuleben.
Der Verstorbene selbst kann hierbei zu einem „inneren Begleiter“ werden. Idealerweise lässt sich der Trauernde auf neue Beziehungen ein und empfindet neues Glück mit dem Wissen, dass Trauer, wenn auch schwer, zu verarbeiten ist.
Was hilft in dieser Phase:
„Trauer ist ein linearer Prozess.“
Falsch. Trauer verläuft nicht gradlinig. Man kann Phasen überspringen, zurückfallen, oder verschiedene Phasen parallel erleben.
„Wer eine Phase nicht durchlebt, trauert falsch.“
Nein. Jede Trauer ist individuell. Die Phasen sind ein Orientierungspunkt – kein Pflichtprogramm.
„Trauer muss irgendwann abgeschlossen sein.“
Auch falsch. Trauer endet nicht zwangsläufig. Vielmehr wird sie mit der Zeit ein Teil des Lebens, weniger intensiv und überwältigend.
Professionelle Hilfe (Trauerbegleitung, Psychotherapie) ist dann sinnvoll, wenn die Trauer:
Trauerbegleitung ist keine Schwäche, sondern eine wertvolle Unterstützung.
Die Trauerphasen sind keine Vorschrift, sondern ein Hilfsmittel. Niemand sollte das Gefühl haben, die Trauer nach einer Checkliste „abarbeiten“ zu müssen. Wer trauert, darf es auf die eigene Art tun – langsam, vorsichtig und individuell. Denn Trauer ist kein Fehler, sondern der Beweis tiefer Liebe und Verbundenheit.