Piepsen der Kassenscanner, Rascheln von Einkaufstüten, quengelnde Kinder, die sich kein Überraschungsei mitnehmen dürfen – es ist ein normaler Tag im Edeka Schmidt's Markt der kleinen Gemeinde Murg direkt am Rhein. Vielleicht hat man sich schon die neuen Rabatte geschnappt, für das Mittagessen eingekauft, eine Süßigkeit eingepackt, da hört man aus der alltäglichen Geräuschkulisse nun aber doch etwas Auffälliges: Ein älterer Herr, unterhält sich vergnügt mit seiner redelustigen Begleitung über die Vorkommnisse in dem kleinen Ort. Ihr Name: Sonja Sarmann.
Sonja Sarmann ist Mitglied der Nachbarschaftshilfe Murg, ein gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von vor allem älteren Menschen. Seit dessen Gründung 2018 sitzt sie im Vorstand und möchte mit ihrer ehrenamtlichen Arbeit dazu beitragen, stabile Hilfsbeziehungen aufzubauen – Hilfsbeziehungen, die heutzutage immer schwerer auf natürliche Art und Weise entstehen. Seit einiger Zeit begleite sie den Mann beim Einkaufen und führe dabei „immer tolle Gespräche“. Ihr Gesicht strahlt, während sie davon erzählt.
Ehrenamt liege ihr im Blut. „Ich bin da so konditioniert worden“, sagt sie. Schon ihr Großvater habe im Zweiten Weltkrieg Menschen geholfen, ihre Mutter sei ebenso hilfsbereit gewesen. Als junges Mädchen habe sie früh mit ehrenamtlichen Tätigkeiten begonnen, sei mit Nachbarn einkaufen gegangen und habe Nachhilfe für Jugendliche gegeben. Bis heute sei eine der damals Jugendlichen, übrigens genauso alt wie Sarmann selbst, dankbar für ihren Unterricht.
Im Zuge einer Initiative der Allianz für Beteiligung Baden-Württemberg e.V. (AFB) zur Unterstützung von Senioren in Murg sei sie dann mit dem Netzwerk Nachbarschaftshilfe in Kontakt gekommen. An 18 Abenden habe sie jeweils drei Stunden ihrer Freizeit einem Helferkurs gewidmet, aus allen Teilnehmenden habe sich dann eine Gruppe herauskristallisiert, die bereit war, einen Verein zu gründen. Inzwischen existiert dieser seit sechs Jahren.
16 Helfer engagieren sich heute in der Nachbarschaftshilfe Murg und betreuen 16 bis 20 Kunden. Man geht unter anderem gemeinsam einkaufen, hilft beim Zubereiten einfacher Speisen oder veranstaltet Spielenachmittage mit Kaffee und Kuchen für die Senioren, „sodass sie nicht vereinsamen“. Die Helfer bekämen eine Aufwandsentschädigung dafür, die am Mindestlohn angepasst werde, der Vorstand organisiere und informiere über Fortbildungen. Der Verein sei zertifiziert, die Kunden bekämen die 12,50 € Kosten von der Pflegekasse im Regelfall zurückerstattet. Letztes Jahr hätte der Verein schon 2000 Einsatzstunden gehabt.
Natürlich läuft nicht immer alles rund. Es sei nicht so einfach, neue Mithelfer zu finden, manchmal entstehe auch Konkurrenz mit anderen Hilfsorganisationen. „Die Schwierigkeit ist in der Vereinsarbeit immer, dass man Verantwortung tragen muss“, sagt Sarmann selbst und gibt zu, dass die Arbeit auch als Last wahrgenommen werden könne. Für sie selbst ist das Engagement allerdings keine solche Last: Obwohl sie noch berufstätig ist, kümmert sie sich mit Herzblut nach dem Feierabend um den Verein. Sie sehe sich als Beispiel dafür, dass es doch möglich sei, und wolle anderen die Hemmschwelle nehmen.
Innerhalb des Vereins wird generell jedes Problem sofort angepackt. Der Vorstand entlaste die Helfer und übernimmt jegliche formellen und organisatorischen Aufgaben, Sarmann versuche, neuen Helfern mit ihrem „familiären Charakter“ Anschluss zu bieten. Die finanzielle Unterstützung der Pflegekassen, der Gemeinde und der Mitglieder helfe, man fühle sich diesbezüglich gefördert. Der Verein macht sich immer wieder Gedanken über Verbesserungen und lässt sich hierbei gerne unterstützen.
Die Allianz für Beteiligung ist dabei ein wichtiger Akteur. Die AFB ist eine Initiative zur Stärkung von Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg und unterstützt ehrenamtliche Projekte als Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Sie habe Sarmann vor allem geholfen, gemeinschaftlich zu agieren, meint sie, „dass nicht ein Macher vorne dran steht, sondern dass wir als Team da stehen“. Um Dankbarkeit zu zeigen, macht Sarmann auch bei einem Workshop der AFB im Zuge des Forums für Gesellschaftlichen Zusammenhalt am 12. Oktober in der Liederhalle Stuttgart mit.
Sonja Sarmann hat nicht vor aufzuhören. Die Arbeit erfülle sie, das ehrenamtliche Engagement sei „gewinnbringend“. „Ich sitz’ da nicht zuhause und muss mich aufregen über das, was im Radio läuft, sondern ich tue direkt vor Ort was dagegen“, erklärt sie. Sie bekommt das Gefühl, für die Gesellschaft etwas Wertvolles zu tun, es sei eben „seelische Nahrung“.
Die Geschichte einer der Helfer habe sie besonders berührt. Der Mann sei einmal Zauberer gewesen, habe aber schon seit Jahren sein Equipment nicht mehr angefasst, keine Aufführungen mehr gemacht. Auf der Weihnachtsfeier des Vereins hat er dann seine alten Zauberutensilien ausgepackt und allen eine kleine Zaubershow gegeben. Seine Frau konnte es nicht glauben, Sarmann fand es „klasse“.
„Ehrenamt schafft Mehrwert“, sagt sie abschließend. Man kann sie gut verstehen.
Sie möchten mehr über die Nachbarschaftshilfe erfahren oder weitere tolle Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung kennenlernen? Sonja Sarmann und die Allianz für Beteiligung waren am Forum für Gesellschaftlichen Zusammenhalt vertreten. Eine Rückschau zu dieser großen Netzwerkveranstaltung für ehrenamtlich Tätige finden Sie hier.