Die geplante Schließung von Notfallpraxen in Baden-Württemberg schlägt weiter hohe Wellen. Vielerorts gibt es Kritik, auch zuletzt vom Kreistag des Landkreises Karlsruhe, der die Schließung nicht hinnehmen will. Doch sollte es dabei bleiben, was bedeutet das für die Menschen rund um die Fächerstadt?
Auch in Ettlingen soll die Notfallpraxis geschlossen werden. Das dürfte auch unmittelbare Auswirkung auf das Städtische Klinikum in Karlsruhe haben. Der Kreistag warnt, dass das Städtische Klinikum dann alle ambulanten Notfälle für gut 450.000 Einwohner zu bewältigen habe. Die Redaktion hat sich dort mal umgehört.
„Die geplante Schließung der Notfallpraxis in Ettlingen betrifft über 100.000 Menschen, die dann bei dringenden medizinischen Problemen vor Ort keine Anlaufstelle mehr hätten. Dies betrifft auch Menschen, die keinen Hausarzt haben“, lässt das Städtische Klinikum mitteilen. Über 8.000 Patienten wurden dort pro Jahr behandelt. Diese müssen nun wohl längere Anfahrtswege in Kauf nehmen. „Eine Schließung der Notfallpraxis ist ein Einschnitt in die lokale Gesundheitsversorgung“, betont das Städtische Klinikum in einer Stellungnahme.
Durch die geplante Schließung rechnet das Städtische Klinikum mit mehr Patientenaufkommen in den hiesigen Kliniken (in den ViDia-Kliniken sowie der Notaufnahme des Städtischen Klinikums). Sofern sich an den personellen und räumlichen Kapazitäten im Städtischen Klinikum nichts ändere, würde das auch für die Patienten deutlich längere Wartezeiten und eine höhere Belastung für die Mitarbeiter bedeuten.
Doch die Folgen sind aus Sicht des Städtischen Klinikums wohl noch weitreichender: „Die längeren Warte- und Behandlungszeiten in den Notaufnahmen haben zudem Auswirkungen auf die Rettungsdienste. Mit dem erhöhten Patientenaufkommen und den aktuellen räumlichen Versorgungskapazitäten können Patientinnen und Patienten, die mithilfe der Rettungsdienste in die Notaufnahmen kommen, nicht immer zeitnah in eine Behandlungskabine überführt werden. Das bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rettungsdienste gegebenenfalls länger im Krankenhaus gebunden sind, um diese Patientinnen und Patienten zu versorgen, und solange nicht für die nächsten Notfalleinsätze zur Verfügung stehen“, so die Befürchtung.
Ausbau und Aufstockung lautet aus Sicht der Verantwortlichen des Städtischen Klinikums die Devise. „Dem Mehraufwand kann nur durch einen Ausbau der ambulanten Notfallversorgung an den bisherigen, noch verbleibenden Standorten begegnet werden. Dies bedeutet zum einen, dass Öffnungszeiten verlängert und Personal (Ärztinnen und Ärzte sowie Medizinische-Fachangestellte) zu den Stoßzeiten aufgestockt werden müssen.“ Auch die Fahrdienste, die die ambulante Notfallversorgung im häuslichen Umfeld durchführen, müssten ausgebaut werden. Dies würde auch mit einer Anpassung der Arbeitsprozesse einhergehen, um effizienter arbeiten zu können.
Ein weiterer Punkt ist die Tele-Medizin. „Die Telemedizinischen Angebote sollten als Filterfunktion vorgeschaltet werden, damit die Bürgerinnen und Bürger in Ermangelung von medizinischen Einrichtungen alternative Anlaufstellen haben, bevor sie in ein Krankenhaus fahren müssen“, meint das Städtische Klinikum abschließend.
Hintergrund der Debatte war das Vorhaben der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, wonach der ärztliche Bereitschaftsdienst reformiert werden soll. Grund dafür sei unter anderem der Personalmangel bei Hausärzten. Durch die Schließung wolle man die Versorgung auf dem Land sicherstellen. Dazu müsse man sich aber mehr auf die Regelversorgung fokussieren. 18 Notfallpraxen sollen daher in Baden-Württemberg geschlossen werden. Mit der Schließung soll schrittweise ab April 2025 begonnen werden. (haf)