Weinheim hat viele Wahrzeichen: der Marktplatz mit seinen belebten Cafés, das Freizeitbad Miramar mit seinem knallbunten Rutschenturm oder auch der Hermannshof, Heimat verschiedenster exotischer und heimischer Pflanzen. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Seit Juli letzten Jahres verwandelten sich ebendiese Wahrzeichen langsam in gehäkelte Kunstwerke. Eine Gruppe von mehr als 30 Menschen arbeitete mit Hingabe daran, Monumente und Straßenzüge der Stadt aus Wolle nachzubilden. „Ich bin mir sehr sicher: Wer so etwas schafft, so detailverliebt, so akribisch, so exakt, der hat einen besonderen Blick für diese Stadt – für seine, ihre und für unsere Heimat“, sagte Oberbürgermeister Manuel Just in einem Grußwort zur Ausstellungseröffnung.
Die Idee dazu stammt von Renate Breithecker, selbst leidenschaftliche Hobby-Häklerin aus Weinheim. Sie wurde insbesondere durch eine Ausstellung im Museum Frieder Burda in Baden-Baden inspiriert, für die tausende Menschen Korallen aus Wolle häkelten. Diesen Gemeinschaftsgedanken wollte sie auch in ihrer Heimatstadt umsetzen. „Es ist sehr schön und zugleich ein wenig surreal, durch das Museum zu gehen und die vielen Exponate zu sehen“, sagte Breithecker in ihrer Eröffnungsrede.
Das Ziel war ambitioniert. Die Gruppe häkelt bekannte Sehenswürdigkeiten und Straßenzüge aus der Stadt nach, darunter Marktplatz, Altstadt, Hermannshof, Moschee, Peterskirche oder auch der Live-Club Café Central. Jede Kleingruppe arbeitete an einem eigenen Projekt, um so die Vielzahl der Motive gemeinsam bewältigen zu können.
„Das Konzept ist nicht, eine große zusammenhängende Landschaft zu bauen, sondern verschiedene Teile, die in der Ausstellung ihren Platz finden“, erklärte Breithecker noch während der Häkelarbeiten. Da komme es der Gruppe zugute, dass es im Museum nicht eine große Ausstellungsfläche, sondern mehrere Räume gebe. So wird etwa die gehäkelte Peterskirche im Raum mit den Fresken der alten Kirche präsentiert, während die gehäkelte Moschee in den Raum kommt, der der zerstörten Synagoge gewidmet ist.
Häkeln ohne Anleitung
Ein einfaches Unterfangen war das Nachhäkeln der Stadt nicht – es gab keine vorgefertigten Anleitungen für Weinheimer Häuser oder Gärten. Die Häklerinnen und Häkler mussten kreativ und improvisationsfreudig sein. Silvia Bangert beschrieb damals die Herausforderung so: „Man häkelt normalerweise Pullis und Schals. Aber hier stehen wir vor einem Haus am Marktplatz und fragen uns: Wo genau sind die Erker? Wie setzt man das häkeltechnisch um?“
Um die Gebäude und Straßenzüge möglichst detailgetreu nachzubilden, wurden zahlreiche Fotos der Objekte gemacht, die dann als Vorlage dienten. Trotzdem blieb vieles der Kreativität überlassen. „Wenn Dinge ins Detail gehen, gibt es keine Häkelanleitung. Man muss es einfach selbst ausprobieren“, sagte Claudia Edelmann, eine weitere Teilnehmerin, bei einem Pressetermin im letzten Jahr.
John David Khalid ist der einzige Mann im Team. Khalid arbeitete am Hermannshof und fokussierte sich darauf, die dortige Pflanzenwelt sowie Teiche und Tiere nachzubauen. „Ich habe schon vorher viel gehäkelt und viel verschenkt“, erzählte er im letzten Jahr. „Jetzt dachte ich, ich könnte auch mal etwas für die Allgemeinheit machen.“ Seit dem Start im Juli war Khalid fast täglich mit der Häkelnadel beschäftigt. Dabei saß er auch mal gut vier Stunden pro Tag an der Häkelnadel. Ein krönender Abschluss seiner Arbeit waren dann noch die beiden Figuren „Bas Gret“ und „Vetter Phil“ am Windeckplatz. Ein großer Zeit- und Materialaufwand.
Die Ausstellung ist seit dem 18. März bis Ende Juni im Stadtmuseum zu sehen, bevor sie der geplanten Trachtenausstellung im Rahmen der Heimattage weichen muss. Danach soll es in der Stadt in einzelnen Partien eine dauerhafte Bleibe bekommen.
Dienstag bis Donnerstag, Samstag 14 Uhr bis 17 Uhr, Sonntag 10 Uhr bis 17 Uhr. Kinder zahlen keinen Eintritt.