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Wahlkreis Karlsruhe-Stadt

Bundestagswahl 2025: Interview mit Philipp Berner (FDP)

Die Bundestagswahl 2025 steht bevor. Für den Wahlkreis Karlsruhe-Stadt kandidiert Philipp Berner (FDP). Er stellte sich der Redaktion zum Interview.
Philipp Berner kandidiert für den Bundestag.
Philipp Berner kandidiert für den Bundestag.Foto: Nicolas van Ryk

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl haben die Parteien die heiße Wahlkampfphase eröffnet und die Kandidaten kämpfen um jede Stimme. Auch Philipp Berner von der FDP möchte für den Wahlkreis Karlsruhe-Stadt in das Parlament einziehen. Der 27-Jährige stellte sich den Fragen der Redaktion.

WJ: Wochenjournal Durlach (WJ): Was hat Sie dazu bewogen, für den Bundestag zu kandidieren?

Philipp Berner: Nachdem Michael Theurer, der bisherige Bundestagsabgeordnete, Mitte des Jahres 2024 im Sommer zur Bundesbank gewechselt ist, hat sich eine Vakanz ergeben. Ich habe dann nach Gesprächen mit Freunden im Sommer beschlossen, dass wir einen jungen Kandidaten brauchen, jemanden, der auch aus Karlsruhe kommt und der für die Stadt brennt und der schon länger in der Partei Mitglied ist. Dann hab ich gesagt, ich mach das selber.

WJ: Welche Themen aus Ihrem Wahlkreis haben für Sie aktuell Priorität?

Berner: Am meisten bewegt mich in Karlsruhe das Thema Mietpreise und die Wohnungssituation. Die ist ja schon seit einigen Jahren sehr angespannt. Karlsruhe spielt schon in der Topliga mit, was die hohen Mietpreise angeht. Gleichzeitig sind aber viele Häuser und auch Wohnungen in einem relativ schlechten Zustand. Die hohen Mieten werden nicht unbedingt investiert in die Immobilien und das finde ich ist ein sehr ungünstiger Zustand, bei dem ich gerne was bewegen würde. Da haben wir auch Konzepte, die Investitionen in Immobilien, also vor allem Sanierungen oder den Bau neuer Immobilien erleichtern sollen.

Gerade zu Beginn des Wintersemesters sieht man das immer gut, wenn dann die ganzen Studenten am KIT anfangen. Ich kenne das selbst aus eigener Erfahrung. Ein WG-Zimmer zu finden, das schafft man vielleicht noch, aber eine Wohnung mit mehreren Zimmern, das ist ziemlich schwierig in Karlsruhe.

Anderes Thema, die Hitze. Karlsruhe ist eine der heißesten Städte des Landes. Da müssen wir uns, auch deutschlandweit, überlegen, wie wir uns auf diese Erwärmung und auf den Klimawandel besser vorbereiten wollen. Ich kann mir da zum Beispiel auch vorstellen, dass man es den Menschen einfacher macht, durch Bauvorschriften oder auch durch Förderungen, noch eine Klimaanlage einzubauen. Denn man merkt im Sommer in Karlsruhe, dass die Produktivität und auch die Konzentration und die Stimmung der Leute unter der großen Hitze leiden.

WJ: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Sorgen der Menschen in Ihrem Wahlkreis?

Berner: Die Leute kommen mit unterschiedlichsten Themen. Also ich könnte jetzt auch nicht sagen, was das Thema ist, was die meisten interessiert hat. Da war von Bedingungen in der Pflege, über Rente, über Sicherheit bis hin auch zu Themen wie Verkehr oder Energie, Energiepreise oder Mobilitätsthemen viel dabei. Was ein bisschen dominiert, ist das Thema Rente.

WJ: Mieten, Lebensmittel, Energiekosten – die Preise in diesen Bereichen bleiben nach wie vor auf hohem Niveau. Wie kriegen wir die Preise wieder runter? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Preise wieder zu senken?

Berner: Beim Thema Immobilien muss einfach viel getan werden, um das Angebot zu erhöhen. Dadurch würden automatisch die Mietpreise wieder sinken, weil einfach gewisse Vermieter sich gewisse Preiskategorien auch gar nicht leisten könnten, weil das dann einfach unvermietet bleiben würde.

Was Lebensmittel angeht, da halte ich es für eher unrealistisch, dass die Preise wieder sinken werden. Ich glaub, da muss man dann eher Situationen schaffen, dass die Leute mehr Geld in der Tasche haben, um sich dann die Preise wieder leisten zu können. Für Menschen mit einem geringen Einkommen müssen Entlastungen geschaffen werden. Die Abgabenlast muss hier reduziert werden.

Beim Thema Energie: Das ist natürlich eher eine langfristige Sache. Da müssen wir weiter in die Infrastruktur investieren, in erneuerbare Energien. Wir müssen hier aber auch etwas unideologischer herangehen. Gerade beim Atomausstieg hat man gesehen, dass man sich in der Ampelregierung das alles ein bisschen schön gerechnet hat.

Wir müssen eine Versorgungssicherheit schaffen, und das schaffen wir einfach mit einem größeren Angebot an Strom. Da müssen wir sehr in die Breite gehen, weil nur mit Windkraft alleine wird das nicht klappen. Wir brauchen eine Kombination aus vielen Varianten. Natürlich soll der Fokus auf Erneuerbaren Energien liegen, aber man sollte auch nichts überstürzen, solange die erneuerbaren Energien nicht ausreichend verfügbar sind.

WJ: Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen, ob in Pflege, Handwerksbetrieben oder an Schulen und Kitas – Tendenz steigend. Wie wollen Sie hier gegensteuern?

Berner: Viele Jobs sind nicht attraktiv genug bezahlt oder zum Teil ist auch schon die Ausbildung nicht attraktiv genug. Bei der Erzieherausbildung wird man zum Beispiel gar nicht wirklich bezahlt, sondern muss sogar noch dafür bezahlen. Da wollen wir als FDP konkret ran, dass das entgeltfrei wird und man auch einen Lohn bekommt. Wir wollen auch den Ausbau von Betriebskindergärten fördern.

Zum Teil sind auch nicht genug Fachkräfte verfügbar, was auch mit technischen Faktoren zu tun hat. Beispielsweise Kinderbetreuung: Es gibt da auch Zahlen, die belegen, wie viele Tausende Menschen eigentlich arbeiten könnten, wenn sie eine bessere Kinderbetreuung für ihre Kinder hätten. Das gleiche Thema betrifft auch Leute, die sich aus Minijobs zurückgezogen haben oder aus Mindestlohnjobs, weil das Bürgergeld für sie am Ende doch attraktiver ist. Das sind zwar nicht viele Leute, aber im Ganzen gibt es doch noch einige Leute, die man als Arbeitskraft zurückgewinnen könnte und da müssen wir uns in den nächsten Jahren darauf konzentrieren, wie wir diese Leute für die Arbeit zurückzuholen und begeistern können.

Wir müssen gewisse Abgabenlasten noch mal reduzieren, beispielswiese für geringere Einkommen, sodass es sich für mehr Leute lohnt, diese Jobs auszuüben, in welchen wir Fachkräftemangel haben. In anderen Bereichen müssen wir die Studiengänge, die dahinterstehen, attraktiver machen und dort auch qualifizierte oder talentierte Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben.

WJ: Was die Wirtschaft zudem zu schaffen macht, ist die überbordende Bürokratie. Gleichzeitig haben viele Versuche, Bürokratie abzubauen, das Gegenteil bewirkt. Wie entkommen wir diesem Dilemma?

Berner: Man kann Bürokratie schlecht mit neuer Bürokratie bekämpfen. Wir müssen da ein bisschen radikaler herangehen. Es gibt viele Dokumentationspflichten, viele Richtlinien. Die verfolgen im Grunde eigentlich ein positives Ziel, aber man muss sich am Ende fragen, ob diese Mechanismen dann wirklich funktionieren. Gerade, wenn wir über Bauregularien sprechen. Am Ende muss man sich fragen, ob man so was nicht ganz abschafft und auch nicht durch irgendeine andere Lösung ersetzt, weil sich da nicht wirklich ein positiver Effekt eingestellt hat.

Zum Beispiel bei der Bonpflicht, das hätte man auch digital gestalten können. Manche Prozesse kann man vielleicht noch mal retten, indem man die Sachen digitalisiert oder vereinfacht, aber es gibt auch gewisse Regelungen, die man komplett infrage stellen sollte und sie dann lieber ganz abschafft.

WJ: Der Deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es nach 2030 keine Untergrenze mehr für das Rentenniveau. Gleichzeitig werden junge Menschen historisch hohe Beiträge zahlen müssen. Wie können wir dem begegnen?

Berner: Da steht uns wirklich eine größere Krise bevor, weil der deutsche Staat irgendwann so enorm in die Rentenkasse mit einzahlen muss, dass das noch funktioniert, dass dann auch die Frage sein wird, wo dieses Geld dann an anderen Stellen fehlt. Unser Ansatz ist deswegen relativ radikal, zu sagen, dass man viel mehr auf das Thema private Altersvorsorge gehen muss und dass wir das jetzt auch schon bei den jüngeren Leuten pushen wollen und das bewusst machen wollen, dass man jetzt schon privat spart. Denn es ist eine Illusion zu glauben, dass Leute in meinem Alter, wenn wir später in Rente gehen, wirklich noch eine gute Rente bekommen werden. Da muss schon viel passieren, damit das wirklich eintrifft. Wir müssen den Schalter umlegen, hin zu einer privateren Altersvorsorge. Das kann man natürlich nicht von null auf hundert machen.

WJ: Doch wenn die Leute, wenig im Geldbeutel haben, wie sollen sie dann privat zurücklegen?

Berner: Das verstehe ich natürlich, aber am Ende ist es auch immer eine Frage der Prioritätensetzung. Ich will den Leuten da nicht so sehr reinreden. Aber es gab immer schon Leute, die relativ früh anfangen, auch wenn sie nicht so viel verdienen, sich Geld zur Seite zu legen. Wir wollen ja auch explizit, dass die Leute in Fonds, Aktien, Immobilien investieren, wo sich das Geld auch vermehrt. Das ist dann auch etwas lukrativer für Leute, die nicht ganz so viel Geld anlegen, weil sie zumindest nicht noch durch die Inflation Geld verlieren.

Generell wollen wir, dass es weniger Abgaben gibt, auch wenn man für die private Altersvorsorge spart. Langfristig muss auch das Ziel sein, dass zum Beispiel niemand sein ganzes Leben nur Mindestlohn verdient. Wir wollen fördern, dass die Leute sich auch weiterbilden. Wir nennen das Aufstiegsversprechen.

Wir als FDP setzen uns zudem für einen flexibles Renteneintrittsalter ein und wollen es fördern, dass Menschen auch im höheren Alter noch arbeiten können. Da geht's nicht darum, dass der Fabrikarbeiter mit Bandscheibenvorfall noch mal fünfzig Stunden am Band steht, aber es gibt durchaus auch Menschen, die könnten sich eigentlich auch vorstellen, vielleicht noch mal zehn, 20 Stunden in der Woche etwas zu machen. Aber das ist bisher gar nicht attraktiv, weil man das dann auch noch versteuern muss. Hier muss man neue Anreize schaffen.

WJ: Obwohl Deutschland seine Klimaziele erfüllt, hinkt der Verkehrssektor hinterher. Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach zielführend?

Berner: Eine Forderung der FDP ist es seit einigen Jahren, den CO₂ Zertifikatehandel auf alle Industriezweige auszuweiten und das auch europaweit, also auch auf den Verkehrssektor. Das würde dann automatisch dazu führen, dass es in Abhängigkeit von den CO₂-Zertifikaten unattraktiver wird, umweltschädliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Schieneninfrastruktur muss weiter ausgebaut werden. Ich glaub, die Eisenbahn ist in Deutschland für viele Leute immer noch zu unattraktiv, als dass sie das wirklich in Erwägung ziehen würden gegenüber dem Auto. Dabei geht es gerade auch um das Thema Internet. Mit einer schlechten Netzabdeckung, gibt es keine guten Möglichkeiten, von unterwegs aus zu arbeiten. Da muss man viel nachbessern.

WJ: Die (Neu-)Verschuldung der Kommunen steigt rasant an. Gerade kleinere Kommunen haben es immer schwerer. Braucht es neue Finanzierungsmodelle für die Kommunen?

Berner: Wir möchten die Kommunen schon über unterschiedliche Maßnahmen unterstützen, gerade auch in Bereichen wie Umweltschutz oder bei Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Aber pauschal ist es schwierig, da konkrete Zusagen zu machen. Ich bin gegen einen Schuldenschnitt oder Ähnliches. Das ist irrational. Es gibt Kommunen, die ihre Gelder für sehr gute Projekte ausgeben oder die durch Naturkatastrophen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Da kann man helfen. Aber grundsätzlich würde ich schon sagen, dass man immer gucken muss, dass man langfristig nur so viel Geld ausgibt, wie man einnimmt. Deswegen würde ich auch keine Kommune dafür belohnen wollen, sich übermäßig zu verschulden. In die Breite zu gehen und das Geld zu verteilen, das dürfen wir nicht machen.

WJ: Populistische Forderungen, Tendenzen zu extremistischen Positionen, Verrohung der politischen Debatte – führen zu großen Problemen. Nennen Sie konkrete Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken.

Berner: Der goldene Schlüssel ist das Thema Bildung. Man muss die Leute bereits im jungen Alter für den Umgang mit sozialen Medien sensibilisieren. Ferner hilft es vor allem, einfach Probleme zu lösen und die Probleme der Leute auch ernst zu nehmen. Gerade beim Thema Migrationspolitik: Nicht jeder ist ein Nazi. Man sollte sich schon auch anhören, was die Leute beschäftigt. Insgesamt muss man die Menschen aber besser bilden.

WJ: Die FDP hat in der vergangen Zeit mit ihrer Arbeit in der Regierung und dem Ampel-Aus viel Kritik einstecken müssen. Wie gehen Sie und die Karlsruher FDP damit um?

Berner: Ich selbst sitze bislang nicht im Bundestag und kriege daher auch nur vieles über die Presse mit und dann kann man nicht so genau sagen, wie's zu dieser oder jener Äußerung kam oder zu bestimmten Vorgängen. Das versuchen wir den Bürgern auch zu kommunizieren. Ich halt mich da gerne raus und konzentriere mich dann eher auf die Themen hier in Karlsruhe und das, was ich weiß.

Von der Grundeinstellung her bin ich schon bei Herrn Lindner. Es gibt mit Sicherheit auch Themen, wo man persönlich ein bisschen anders tickt. Das ist aber in jeder Partei so.

Grundsätzlich stehe ich dazu, dass das Ampel-Aus eine notwendige Maßnahme war. Die Unzufriedenheit mit der Regierung in Deutschland war einfach schon sehr groß und es gab auch wenig Potenzial, dass man jetzt noch entscheidende Reformen angehen kann, mit der Konstellation, die man hatte. Ob das am Ende so laufen musste, wie es gelaufen ist, das kann man mit Sicherheit infrage stellen. Ich glaub, das haben auch viele in der FDP erkannt.

WJ: Für Sie persönlich, die die Förderung von Sport und Ehrenamt ein zentrales Thema. Wofür genau wollen Sie sich hier einsetzen?

Berner: Ich möchte Vereine entlasten, also zum Beispiel, was die Bürokratie angeht. Ich möchte ein größeres Bewusstsein dafür schaffen, dass die Vereine das Rückgrat unserer Gesellschaft sind.

Beim Thema Sport find ich persönlich, dass es wirklich wichtig ist, dass die Menschen in Deutschland wieder mehr Sport machen, dass auch im Arbeitsalltag bessere Angebote geschaffen werden. Gerade auch über Teamsportarten werden zudem wichtige Werte vermittelt. Hier muss in Deutschland einiges passieren.

Die Fragen stellte Felix Haberkorn

Zur Person:

27 Jahre

Studium der Medieninformatik, aktuell im Masterstudium Verkehrssystemmanagement

Seit 2016 bei den Jungen Liberalen, seit 2019 in der FDP, seit 2024 Vorsitzender der Jungen Liberalen Karlsruhe.

Seit 2024 ist Berner Vorsitzender der Jungen Liberalen.
Seit 2024 ist Berner Vorsitzender der Jungen Liberalen.Foto: privat
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