Redaktion NUSSBAUM
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Wahlkreis 278 Bruchsal - Schwetzingen

Bundestagswahl 2025: Nezaket Yildirim (SPD) im Gespräch

Am 23. Februar 2025 wird der neue Bundestag gewählt. Im Gespräch mit der Redaktion formuliert Nezaket Yildirim Ziele und Pläne.
Nezaket Yildirim, Kandidatin der SPD für die Bundestagswahl 2025 im Wahlkreis 278 Bruchsal - Schwetzingen
Nezaket Yildirim, Kandidatin der SPD für die Bundestagswahl 2025 im Wahlkreis 278 Bruchsal - SchwetzingenFoto: Yildirim

Welche Themen aus Ihrem Wahlkreis haben für Sie aktuelle Priorität?

Nezaket Yildirim: Der Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Die Förderung des Mittelstands und der Abbau von Bürokratie. Wohnraum. Die zehn geplanten Windräder an der A5 zwischen St. Leon und Bad Schönborn. Geothermie für die Region. Die Förderung der dualen Berufsausbildung und der Umgang mit dem Fachkräftemangel. Die Betreuungsquote für Kinder muss weiter ausgebaut werden. Die bei unter 3 Jahren liegt bei 36,6 %, für 3 - 6-Jährige bei 91,7 %. Die Schließung der Notfallpraxis in Schwetzingen hat Debatten über die medizinische Versorgung im Wahlkreis ausgelöst. Die Sicherstellung einer adäquaten Gesundheitsversorgung, insbesondere im ländlichen Raum, ist wichtig. Die Diskussion über den Umgang mit Migration und Integration ist im Wahlkreis präsent. Mit einem Ausländeranteil von 15,8 % in der Bevölkerung ist dies ein sensibles Thema, das gelöst werden muss.

Hunderttausende Arbeitskräfte fehlen, ob in Pflege, Handwerksbetrieben oder an Schulen und Kitas – Tendenz steigend. Wie wollen Sie hier gegensteuern?

Nezaket Yildirim: Um dem steigenden Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen entgegenzuwirken, sind mehrere Maßnahmen notwendig: Ausbildung und Qualifizierung stärken. Die duale Berufsausbildung muss attraktiver gestaltet und gefördert werden, besonders in Mangelberufen. Weiterbildungs- und Umschulungsprogramme sollten ausgebaut werden, um Arbeitskräfte für neue Anforderungen zu qualifizieren. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse muss vereinfacht und beschleunigt werden. Bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitsbedingungen, besonders in Pflege- und Erziehungsberufen. Flexiblere Arbeitsmodelle wie Homeoffice-Optionen einführen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz verbessern. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz konsequent umsetzen, um qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Integrationsprogramme und Sprachkurse ausbauen, um zugewanderte Fachkräfte besser zu integrieren. Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte durch gezielte Förderung in den Arbeitsmarkt integrieren. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen durch bessere Kinderbetreuungsangebote erhöhen.

Ältere Arbeitnehmer länger im Beruf halten durch altersgerechte Arbeitsplätze und Weiterbildungsangebote. Investitionen in digitale Infrastruktur und Technologien fördern, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Digitale Kompetenzen in allen Altersgruppen durch Aus- und Weiterbildung stärken. Lokale Fachkräfteallianzen zwischen Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Kommunen fördern. Strukturschwache Regionen gezielt unterstützen, um Abwanderung von Fachkräften zu verhindern. Diese Maßnahmen müssen ineinandergreifen und langfristig umgesetzt werden, um dem Fachkräftemangel effektiv zu begegnen und die Wirtschaft zukunftsfähig zu machen.

Was der Wirtschaft zudem zu schaffen macht, ist die überbordende Bürokratie. Wie entkommt Deutschland diesem Dilemma?

Nezaket Yildirim: Deutschland steht vor der Herausforderung, die Bürokratie abzubauen und gleichzeitig notwendige Regulierungen beizubehalten. Dazu sind mehrere Ansätze erforderlich:

  • Gezielte Entlastungsmaßnahmen: Das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) sieht Entlastungen von jährlich 944 Millionen Euro vor, z.B. durch Abschaffung der Hotelmeldepflicht und Verkürzung von Aufbewahrungsfristen. Weitere Maßnahmen wie die Digitalisierung von Arbeitsverträgen und Steuerbescheiden sind geplant.
  • Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung: Konsequente Digitalisierung von Verwaltungsprozessen mit einheitlichen, interoperablen Lösungen. Einführung des Once-Only-Prinzips, damit Daten nur einmal übermittelt werden müssen. Investitionen in digitale Infrastruktur und Kompetenzen der Verwaltungsmitarbeiter.
  • Praxisorientierte Gesetzgebung: Durchführung von Praxischecks in allen Ministerien, um Gesetze effizienter zu gestalten. Frühzeitige Einbindung von Betroffenen in den Gesetzgebungsprozess.
  • Fokus auf EU-Ebene: Engagement für Bürokratieabbau auf EU-Ebene, da 57% des bürokratischen Aufwands aus EU-Richtlinien stammen. Unterstützung der EU-Kommission bei der Reduzierung von Berichtspflichten um 25%.
  • Kontinuierliche Überprüfung und Anpassung: Regelmäßige Evaluierung bestehender Gesetze unter Einbeziehung der Betroffenen. Jährliche Bürokratieentlastungsgesetze als neue Tradition des regelmäßigen Abbaus.
  • Kulturwandel in der Verwaltung: Entwicklung einer serviceorientierten Verwaltungskultur. Förderung von Innovation und Flexibilität im öffentlichen Sektor.
  • Fokus auf Qualität statt Quantität: Verbesserung der Verwaltungsqualität statt reiner Reduzierung von Vorschriften. Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Verwaltungsmitarbeitern.

Um dem Dilemma der überbordenden Bürokratie zu entkommen, muss Deutschland einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der Digitalisierung, praxisorientierte Gesetzgebung und kontinuierliche Verbesserung kombiniert. Nur so kann ein ausgewogenes Verhältnis zwischen notwendiger Regulierung und wirtschaftlicher Dynamik erreicht werden.

Welche Zukunft sehen Sie für die Rente in Deutschland?

Nezaket Yildirim: Der demografische Wandel wird das Rentensystem in den kommenden Jahrzehnten stark belasten. Bis 2035 wird die Zahl der Menschen im Rentenalter (ab 67 Jahren) um etwa 4 Millionen auf mindestens 20 Millionen steigen. Die Lebenserwartung steigt weiter, was zu längeren Rentenbezugszeiten führt.

Wir sorgen dafür, dass das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung dauerhaft bei mindestens 48 Prozent gesichert wird. Dies ist auch im Interesse derjenigen, die in Zukunft in Rente gehen. Denn nach geltendem Recht läuft diese Stabilisierung des Rentenniveaus schon zum 1. Juli 2025 aus. Damit würde es in Zukunft sinken bzw. stärker von der allgemeinen Lohnentwicklung entkoppelt. Auch wenn die Renten in absoluten Werten nicht sinken, wäre dies faktisch eine Rentenkürzung in der Zukunft. Ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren wird mit der SPD auch künftig zwei Jahre früher möglich bleiben. Das haben sich gerade Menschen verdient, die früh begonnen haben zu arbeiten. Eine Anhebung der Regelaltersgrenze lehnen wir ab.

Trotz der Herausforderungen bleibt das Ziel, ein stabiles und verlässliches Rentensystem zu erhalten, das den Lebensstandard im Alter sichert und gleichzeitig die jüngeren Generationen nicht übermäßig belastet.

Wie soll es mit dem Deutschlandticket weitergehen?

Nezaket Yildirim: Das Deutschlandticket wird auch 2025 fortgeführt, allerdings mit einigen Änderungen und offenen Fragen für die Zukunft. Der Preis für das Deutschlandticket stieg zum 1. Januar 2025 von 49 Euro auf 58 Euro pro Monat. Diese Preiserhöhung wurde von den Verkehrsministerinnen und Verkehrsministern von Bund und Ländern beschlossen, um die Finanzierung des Tickets zu sichern. Bund und Länder stellen jeweils 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung. Nicht genutzte Mittel aus dem Jahr 2023 können für die Finanzierung in 2025 verwendet werden. Es gibt aber ein unsichere Zukunft nach 2025. Es werden schwierige Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zur Finanzierung nach 2025 erwartet.

Es gibt Überlegungen zur Erweiterung des Angebots, z.B. eine familienfreundliche Regelung zum Mitnehmen von Kindern. Die SPD spricht sich für eine langfristige Fortführung und Entfristung des Tickets aus. Trotz der Herausforderungen wird das Deutschlandticket von der SPD und vielen Ländern als Erfolgsmodell gesehen, das zur Mobilitätswende und zum Klimaschutz beitragen soll. Die weitere Entwicklung wird stark von den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sowie der Nutzung durch die Bevölkerung abhängen.

Stichwort Klimaziele: Was wurde bisher erreicht, wo besteht dringender Handlungsbedarf?

Nezaket Yildirim: Deutschland hat bei der Erreichung seiner Klimaziele Fortschritte gemacht, steht aber weiterhin vor großen Herausforderungen:

  • Erreichtes: Die Treibhausgasemissionen sind 2023 um 10,1% gegenüber 2022 gesunken - der stärkste Rückgang seit 1990. 2024 wurden die Emissionen um weitere 3% auf 656 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente reduziert - 48% weniger als 1990. Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch stieg Ende 2024 auf 62%. Das nationale Klimaziel für 2024 wurde erreicht und sogar um 36 Mio. Tonnen übererfüllt.
  • Dringender Handlungsbedarf: Verkehrssektor: Verfehlt weiterhin deutlich seine Ziele (19 Mio. Tonnen über Sektorbudget 2024). Kaum strukturelle Fortschritte, Verbrenner-Pkw-Verkehr steigt sogar. Emissionsrückgänge hauptsächlich witterungsbedingt, strukturelle Verbesserungen fehlen. Investitionen in Wärmepumpen und energetische Sanierungen rückläufig.
  • Industrie: Emissionen stiegen 2024 trotz Wirtschaftsschwäche leicht an. Ausbau der Strom- und Wasserstoffnetze muss beschleunigt werden. CO2-basierte Energiepreisreform zur Förderung erneuerbarer Energien. Abbau klimaschädlicher Subventionen, insbesondere im Verkehrssektor.

Trotz Fortschritten beim Ausbau erneuerbarer Energien besteht in fast allen Sektoren weiterhin dringender Handlungsbedarf, um die Klimaziele für 2030 und 2045 zu erreichen. Besonders im Verkehrs- und Gebäudesektor sind zusätzliche Anstrengungen nötig.

Mit welchen politischen Maßnahmen werden Sie Populismus und Extremismus entgegentreten?

Nezaket Yildirim: Folgende politische Maßnahmen notwendig:

  • Stärkung der Demokratie und politischen Bildung: Ausbau der politischen Bildungsangebote, insbesondere für Erwachsene und berufsaktive Zielgruppen. Förderung von demokratischem Engagement und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Stärkung der Bundeszentrale für politische Bildung und ihrer Programme.
  • Prävention und Deradikalisierung: Ausbau präventiver Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Stärkung von Ausstiegsprogrammen und Deradikalisierungsangeboten. Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren bei der Prävention.
  • Repressive Maßnahmen: Konsequente Strafverfolgung extremistischer und verfassungsfeindlicher Aktivitäten. Prüfung weiterer Verbotsmaßnahmen gegen rechtsextremistische Organisationen. Anpassung des Verfassungsschutzrechts zur effektiveren Beobachtung extremistischer Bestrebungen.
  • Förderung einer vielfältigen Gesellschaft: Umsetzung der Strategie „Gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus“. Stärkung von Migrantenorganisationen und Förderung interkultureller Begegnungen. Bekämpfung von Diskriminierung und strukturellem Rassismus.
  • Digitale Maßnahmen: Verstärkte Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet. Förderung von Medienkompetenz zur Erkennung von Desinformation und Fake News.
  • Wissenschaft und Forschung: Ausbau der Extremismusforschung. Einrichtung eines „Bundesinstituts Qualitätssicherung“ zur Evaluierung von Präventionsmaßnahmen.

Diese Maßnahmen müssen ineinandergreifen und langfristig umgesetzt werden, um Populismus und Extremismus nachhaltig entgegenzuwirken und die demokratische Gesellschaft zu stärken.

Worin sehen Sie das Scheitern der bisherigen Regierung und was kann die Politik daraus lernen?

Nezaket Yildirim: Das Scheitern der Ampel-Regierung lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, aus denen wichtige Lehren für zukünftige Koalitionen gezogen werden können:

  • Mangelnde Anpassungsfähigkeit in Krisenzeiten. Die Ampel-Koalition war nicht in der Lage, sich flexibel an veränderte geopolitische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen anzupassen. Insbesondere nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltspolitik im November 2023 hätte es einer grundlegenden Neuausrichtung und Weiterentwicklung des Koalitionsvertrags bedurft. Diese Chance wurde verpasst.
  • Kommunikative Defizite: Die öffentlich ausgetragenen Konflikte und widersprüchlichen Aussagen der Koalitionspartner vermittelten den Eindruck von Handlungsunfähigkeit. Wichtige Erfolge und Krisenmanagement-Leistungen der Regierung gerieten dadurch in den Hintergrund.
  • Lehren für die Zukunft: Koalitionsverträge müssen flexibler gestaltet und bei Bedarf angepasst werden können. Eine einheitliche Kommunikationsstrategie ist unerlässlich, um Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen. Soziale Aspekte müssen bei allen Reformvorhaben von Beginn an mitgedacht werden. Breite Abstimmungsprozesse statt exklusiver Spitzenrunden fördern den Zusammenhalt. Eine ehrliche Fehlerkultur und Lernfähigkeit sind für progressive Politik unabdingbar.

Um das Vertrauen in die Politik zurückzugewinnen, muss eine zukünftige Regierung vor allem Handlungsfähigkeit beweisen, Reformen sozial ausgewogen gestalten und eine klare Vision für die Zukunft des Landes entwickeln.

Was ist Ihre Vision für Deutschland?

Nezaket Yildirim: Die SPD präsentiert für die Bundestagswahl 2025 eine Vision für ein soziales, gerechtes und zukunftsfähiges Deutschland:

  • Wirtschaft und Arbeit: Investitionen in Zukunftsbranchen und Arbeitsplätze durch einen "Deutschlandfonds" mit 100 Milliarden Euro. Made in Germany-Bonus: Steuerliche Anreize für Unternehmen, die in Deutschland investieren. Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro. Entlastung von 95% der Arbeitnehmer durch eine Steuerreform.
  • Soziale Gerechtigkeit: Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48%. Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 7% auf 5%. Einführung einer Kindergrundsicherung. Deckelung des Eigenanteils in der Langzeitpflege auf 1000 Euro monatlich.
  • Klimaschutz und Nachhaltigkeit: Klimaneutralität bis 2045. Ausbau erneuerbarer Energien: 100% Ökostrom bis 2040. Förderung der E-Mobilität und Ausbau der Ladeinfrastruktur. Einführung eines Tempolimits von 130 km/h auf Autobahnen.
  • Bildung und Digitalisierung: Ausbau der Ganztagsbetreuung in Schulen. Digitales Endgerät und Internetzugang für alle Schüler. Gigabit-Internet für alle Haushalte und Unternehmen.
  • Wohnen und Infrastruktur: Verlängerung der Mietpreisbremse ohne Enddatum. Investitionen in die Modernisierung der Infrastruktur. Mobilitätsgarantie: Wohnortnaher Anschluss an den öffentlichen Verkehr für alle.
  • Die SPD setzt auf einen starken Sozialstaat, der Sicherheit im Wandel bietet, und will gleichzeitig die Wirtschaft modernisieren, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.

Zur Person

  • Name: Nezaket Yildirim
  • Alter: geboren 1977
  • Verheiratet
  • 2 Kinder
  • Wohnhaft in Schwetzingen
  • Beruf: Dipl.-Juristin / Geschäftsführerin
Erscheinung
exklusiv online

Orte

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Bruchsal
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Kategorien

Politik
von red / bg
31.01.2025
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