Bürgermeisterversammlung in Reutlingen

Gemeindetag: Steffen Jäger fordert Unterstützung vom Land BW

Kommunen sind die Herzkammer der Demokratie. Politiker fordern mehr Vertrauen, Selbstverwaltung und weniger Bürokratie für Städte und Gemeinden.
Publikum und Bühne mit Redner.
Bei der Bürgermeisterversammlung in Reutlingen: Steffen Jäger fordert mehr Vertrauen, Selbstverwaltung und weniger Bürokratie für Städte und Gemeinden.Foto: jr

Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger, hat bei der kommunalpolitischen Kundgebung in Reutlingen die Leistungen der Städte und Gemeinden in schwierigen Zeiten gewürdigt. Alle Spitzenkandidatinnen und -kandidaten für die kommende Landtagswahl waren anwesend: Cem Özdemir (Die Grünen), Manuel Hagel (CDU), Andreas Stoch (SPD), Hans-Ulrich Rülke (FDP), Kim Sophie Bohnen (Die Linke) und Markus Frohnmaier (AfD). Das Motto der Veranstaltung: „Starke Kommunen – Starke Demokratie“. Rund 700 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren gekommen, um ihre Forderungen an die Politik zu vertreten.

Jäger betonte, dass Bund und Länder die kommunale Realität anerkennen müssten. Die Ausgaben für Bildung, Betreuung und Sozialleistungen würden vielerorts die verfügbaren Mittel übersteigen. „Unter dem Strich haben die Kommunen zwar keine zusätzlichen Mittel, aber die Lücken werden durch Sonderprogramme und Investitionspakete zumindest teilweise abgemildert“, kommentierte Jäger die jüngst beschlossene Unterstützung durch Sondermittel des Bundes. Ausreichend, so die Meinung, seien diese jedoch nicht.

„Herzkammer unserer Demokratie“

Jäger hob die Rolle der Kommunen als „Herzkammer unserer Demokratie“ hervor und betonte, dass die Städte und Gemeinden entscheidend für Stabilität, wirtschaftliches Fundament und sozialen Zusammenhalt in Deutschland seien. Seine Diagnose: Damit es nicht zum "Kammerflimmern" komme, bedürfe es gemeinsamer Anstrengungen, aber auch der Unterstützung von Seiten des Landes. Abschließend dankte er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort für ihren täglichen Einsatz, der die Daseinsvorsorge und die Funktionsfähigkeit des Staates sicherstelle.

Jäger appellierte außerdem an die Landesregierung, dass sie den Kommunen stärker vertrauen solle. Er forderte, die kommunale Selbstverwaltung und echte Subsidiarität zu sichern, Handlungsspielräume zu erweitern und Bürokratie abzubauen. Vertrauen in die Kommunen würde sich nicht nur in Worten, sondern in konkretem Handeln und Einbindung in die Landespolitik zeigen, meint der Gemeindetagspräsident.

Kretschmann: Mehr Selbstverwaltung

Ministerpräsident Winfried Kretschmann war ebenfalls vor Ort und betonte die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung. Städte und Gemeinden hätten eine zentrale Rolle für die Funktionsfähigkeit des Staates inne.

Kretschmann, der in den vergangenen 14 Jahren seiner Amtszeit ein verlässlicher Dauergast beim Gemeindetag war, sprach sich gegen eine stärkere Zentralisierung aus. Er akzeptierte aber den Vorwurf der übermäßigen Bürokratie und Regelungsdichte, die die Leistungsfähigkeit der Kommunen einschränkten, und kündigte an, dass die Landesregierung weiter Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung vorantreibe.

Der Ministerpräsident ging auch auf aktuelle Herausforderungen wie Wohnungsbau, Fachkräftemangel und demografische Entwicklungen ein. Kretschmann betonte, dass Reformen sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene notwendig seien, um die wirtschaftliche Prosperität zu sichern und die Kommunen handlungsfähig zu halten.

„Helden der Demokratie“

Auch Innenminister Thomas Strobl hob die zentrale Rolle der Kommunen für die Demokratie in Baden-Württemberg hervor. In seiner Rede betonte er, dass Städte und Gemeinden die wichtigste Säule der Demokratie seien, weil Bürgerinnen und Bürger hier direkt mit staatlicher Verantwortung in Berührung kämen. Die Bürokratie müsse man vereinfachen, beteuerte er.

Ein weiterer Schwerpunkt Strobls war die finanzielle Stärkung der Kommunen. Strobl forderte, der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ müsse verbindlich umgesetzt werden, damit Bund und Land übertragene Aufgaben auch angemessen finanzieren. Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern lobte er als „Helden der Demokratie“ in schwierigen Zeiten.

Redezeit

Im Anschluss gehörte das Podium den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten: Diese hatten die Möglichkeit, ihre Positionen sowie die ihrer Parteien in jeweils 10 Minuten kontrollierter Redezeit zu erörtern. GRÜNEN-Kandidat Cem Özdemir würdigte die Leistung der Kommunen: "1101 Gemeinden tragen das Bundesland, herzlichen Dank dafür, dass Sie das Gesicht der Demokratie sind", so sein Lob an die Anwesenden. Den wohl lautesten Applaus erhielt CDU-Mann Manuel Hagel, der in einer emotionalen Rede unter anderem die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen sowie den Bürokratieabbau in den Fokus nahm, während SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch den Kommunalen Wohnungsbau und die Kinderbertreuung in den Mittelpunkt stellte und hier Pflichten des Landes betonte.

„Vertrauen durch Verantwortung“

Der Gemeindetag habe ein Papier unter dem Titel „Vertrauen durch Verantwortung“ erarbeitet, das konkrete Vorschläge für die Gestaltung einer stabilen und handlungsfähigen kommunalen Ebene enthalte. Jäger appellierte an alle demokratischen Parteien, gemeinsam einen „neuen Gesellschaftsvertrag“ zu entwickeln, der langfristige Stabilität, wirtschaftliche Stärke und gesellschaftlichen Zusammenhalt ermögliche.

Steffen Jäger zog schließlich ein positives Fazit zu der Bürgermeisterversammlung: „Wir dürfen feststellen, dass das eine sehr gelungene Veranstaltung war – mit Rekordbeteiligung und großem Interesse an unserer Arbeit und unseren Positionen“, sagte der Gemeindetagspräsident. Besonders erfreulich sei, dass viele der zur Landtagswahl antretenden Spitzenkandidaten signalisiert hätten, die Anliegen der Kommunen in ihre Programme aufnehmen zu wollen. Man habe fleißig "mitgeschrieben" und werde nach der Wahl nachhaken, kündigte er an.

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exklusiv online
von Justin Schick
19.11.2025
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