
Der Geruch von frischen Plätzchen verteilte sich in der Wohnung. Marie rannte hektisch hin und her. Dinge wurden vom Boden aufgehoben, andere Dinge wild in der Wohnung verteilt. War es etwa wieder so weit? Ich drehte mich von einer Seite auf die andere, um das Treiben besser zu beobachten. Marie fummelte gerade an einem ziemlich großen, ziemlich hässlichen Weihnachtsmann herum, den sie in den Flur stellte. Der Plätzchengeruch wurde intensiver. Es klingelte an der Tür. Marie verschwand kurz und kam mit einem Stapel verschieden großer Kisten zurück, die sie vor mir auf den Boden stellte. Dann begann sie, kleine Kisten aus den großen zu holen und diese wiederum in buntes Papier einzuwickeln.
„Damit die Kinder nicht gleich wissen, was es ist“, sagte sie zwinkernd zu mir. Ich maunzte zustimmend. Aber die Kisten blieben unverkennbar Kisten. Ich verstand sie nicht immer. Der Geruch wurde immer stärker, richtig beißend. Marie sprang wild fluchend auf und schoss in die Küche. Ja, es war so weit. Die schönste Zeit war da.
Die nächsten Tage verbrachte ich in meinen neuen Kisten. Besonders die Kleinste mitten im Flur hatte es mir angetan. Etwas eng, aber man hatte einfach den besten Blick auf alles. Marie wurde von Tag zu Tag hektischer. Und die Streitereien mit Thomas immer häufiger. Ich weiß nicht genau, um was es ging, aber eine alte, fette Schachtel hatte wohl was damit zu tun.
Die Wohnung füllte sich immer mehr. Kerzen, Lichterketten und kleine Holzfiguren wurden von Marie sorgfältig verteilt und jeden Tag neu sortiert. Thomas brachte einen großen Tannenbaum, der mitten im Wohnzimmer stand. „Ich wollte einen Baum, keinen ganzen Wald“, meinte Marie kopfschüttelnd. Thomas zuckte mit den Schultern und begann, bunte Kugeln und Kerzen auf den Baum zu hängen. Dabei warf er mir einen bösen Blick zu. „Wehe, du kommst auch nur in die Nähe des Baumes. Dann gibt es dieses Jahr Katzenbraten“, zischte er in meine Richtung. Ich streckte mich, gähnte demonstrativ und verließ den Raum. Klar, der Baum war verlockend, aber die wirkliche Magie passiert immer erst dann, wenn alle versammelt sind, das Licht im Zimmer ausgeht und die Kerzen ein Kaleidoskop aus Farben und Mustern zaubern. Das war die schönste Zeit. Ich konnte warten.
Schließlich war es so weit. Die alte Schachtel, Maries Schwester und deren drei Kinder, waren gekommen. Die Kleinen tobten mit mir, wobei ich eine Glasschale mit vier Kerzen drauf vom Tisch stieß.
„Macht nichts, war eh hässlich“, meinte Martin. Im folgenden Gekeife zog ich mich unauffällig zurück. Es dämmerte schon. Zeit, sich zu verstecken.
Später versammelten sich alle im Wohnzimmer. „Ist das Katzenvieh draußen?“, fragte die alte Schachtel. Thomas nickte. „Ich habe alles abgesucht.“ Das hatte er, sogar unter der Couch hat er nachgeschaut. Sekundenlang hat er in meine Richtung gestarrt. Ohne mich zu sehen. Als Jäger ist er absolut eine Null.
„Dann können wir ja anfangen“, sagte Marie. Die Kinder riefen aufgeregt durcheinander. Das Licht ging aus.
Ich sprang.
Christophe Kopf, Neckargemünd
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