Agendagruppe Ortsgeschichte Eggenstein-Leopoldshafen
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Lebenserinnerungen von Walter Schnürer nach dem II. Weltkrieg

Das Ende des II. Weltkrieges 1945 erlebte ich in Eggenstein, als die französischen Truppen unseren Ort ohne Kampf einnahmen und besetzten. Für die Bevölkerung...

Das Ende des II. Weltkrieges 1945 erlebte ich in Eggenstein, als die französischen Truppen unseren Ort ohne Kampf einnahmen und besetzten.

Für die Bevölkerung begann eine schwere Zeit der Not, denn es fehlte an allen Ecken und Enden.

Unsere Bäckerei in der Moltkestraße19 durfte wieder öffnen. Obwohl das Haus schwer beschädigt war, blieb der Backofen, welchen der Vater kurz vor dem Krieg bauen ließ, unbeschädigt.

Aber welche Hindernisse stellten sich einem nach Kriegsende in den Weg ? Ich war in den ersten Wochen nach dem Krieg der einzige Bäcker im Ort.

Der damalige Bürgermeister Endle, bat mich, den Betrieb sofort aufzunehmen, dass die Bevölkerung zumindest „Brot“ bekam. Aber es gab kein Mehl, keine Hefe und keine Kohlen. Mit dem Pferdefuhrwerk fuhren mein Vater und ich nach Blankenloch, um beim damaligen Mehlhändler einige Sack Mehl zu holen, doch dies war nur Schrot, welches man früher an die Tiere verfütterte.

Um Brennmaterial für den Backofen zu haben, mussten wir in den Hardtwald und Bäume fällen, was uns sehr schwerfiel. Dies musste alles mit der Hand gesägt und gespaltet werden.

Als mal wieder kein Brennmaterial da war, machte ich mich auf – am 20. April, an Hitlers Geburtstag – es war Ausgangssperre, fuhr ich mit dem Fahrrad zum Hardtwald, dem ehemaligen Arbeitsdienstlager. Wir hatten erfahren, dass hier noch Kohlen und Briketts lagern sollten.

Unterwegs im Blankenlocher Weg – heute Sportplatzweg – wurde ich von französischen Besatzungstruppen beschossen. Schnell ließ ich mich in den Straßengraben fallen. Es wurde uns bei den Soldaten gelehrt, wie das zu geschehen hatte. Als sich die Lage beruhigte, fuhr ich mit dem Rad weiter zum Arbeitsdienstlager. Aber dort wurde ich von den Franzosen verhaftet und zur franz. Kommandantur – die ehemalige „Schnapshütte“ in der Hauptstraße – heute Bäckerei Griesinger, gebracht. Dort wurde ich verhört. Ein ehemaliger Fremdenlegionär, Karl Gegenheimer, hat sich für mich eingesetzt und dem Kommandeur mitgeteilt, dass ich für die Eggensteiner backen solle. Dann bekam ich einen französischen Pass, um mich frei im Ort zu bewegen. (Der Pass ist noch heute im Original vorhanden.)

Als es wieder einmal kein Holz zum Feuer machen gab, wurden wir an den Rhein geschickt, um eine Pontonbrücke, welche im Rhein lag, zu demontieren, alles Knochenarbeit. Das Holz war nass und kam nicht zum Brennen. Mit dem Fahrradanhänger mussten wir um 4 Uhr morgens in der Frühe Wasser am Brunnen holen, um mit dem Backen anzufangen. Und dies alles als Schwerkriegsverletzter mit Verlust des rechten Auges.

Ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich mich sehr für meine Heimatgemeinde eingesetzt habe.

Aufgezeichnet von Walter Schnürer, Bäckermeister, 1998.

Reinhold Singer und Kurt Kiefer für die AG Ortsgeschichte

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen
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Ausgabe 08/2025

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